LeitartikelDigitale Infrastruktur

Nach dem Rausch droht der Kater

Glasfaser, Rechenzentren und Mobilfunktürme gelten als Rückgrat der Digitalisierung und deshalb als attraktive Investments. Aber das Risiko ist höher als gedacht.

Nach dem Rausch droht der Kater

Digitale Infrastruktur

Nach dem Rausch droht der Kater

Glasfaser, Rechenzentren und Mobilfunktürme gelten als Rückgrat der Digitalisierung und deshalb als attraktive Investments. Aber das Risiko ist höher als gedacht.

Von Heidi Rohde

Der Nachholbedarf Deutschlands beim Ausbau digitaler Infrastruktur und der langfristig steigende Bedarf an mobiler sowie hochbitratiger Kommunikation und an Computerleistung zieht seit einigen Jahren eine wachsende Zahl von Investoren in die relativ junge Assetklasse. Insbesondere die lange Niedrigzinsphase vor Ausbruch des Ukrainekriegs bildete die Grundlage für einen europaweiten M&A-Feldzug von Tower Companies und Private Equity Gesellschaften. Dieser ermöglichte der Telekombranche, Werte in der Bilanz zu heben, indem große Tower-Portfolios ihre Besitzer wechselten. Die Transaktionswelle hat zu einer Konsolidierung der Funkturmbetreiber beigetragen und ihre Wachstums- und Ertragskraft im einzelnen gestärkt. Anders sieht es allerdings bei Glasfasernetzen und Rechenzentren aus, die im Gegensatz zu den Funkturm-Portfolios erst im Entstehen sind.

Hochfragmentierter Markt

Insbesondere bei Glasfaser haben die niedrigen Zinsen, der erhebliche Rückstand im Vergleich zu anderen Ländern Europas sowie ihre physische Wertbeständigkeit zu einem regelrechten Goldrausch unter den Investoren geführt. In der Folge tummeln sich lokal zahllose Anbieter in einem hochfragmentierten Markt, der auch den größeren überregional tätigen Akteuren die Skalierung in der Fläche erschwert.

Vor allem aber tobt – auch im Wettbewerb mit der Deutschen Telekom, die ihre Bestandskundenbasis langfristig sichern will – ein Kampf um Marktanteile. Dadurch wird der Ausbau der Infrastruktur bisher stark priorisiert vor der Vermarktung. Infolgedessen haben die Unternehmen primär hohe Kosten und geringe Einnahmen, denn Anschlüsse, die von den Kunden noch nicht genutzt werden, erbringen naturgemäß keinerlei Cashflows. Verschärft wird die Lage durch Verzögerungen sowie einen erheblichen Kostenschub beim Netzausbau, der aus schleppenden Genehmigungsverfahren und Knappheit bei Baukapazitäten und Arbeitskräften resultiert. Die toxische Gemengelage hat Deutsche Glasfaser als einen der größten alternativen Anbieter hierzulande in die Bredouille gebracht, gilt aber ebenso für zahlreiche Wettbewerber.

Zinslast nicht tragbar

Die schwache Kundennachfrage, die in der sogenannten Take-up-Rate, also vermarkteten Anschlüssen, zum Ausdruck kommt, führt zu Liquiditätsengpässen bei den durchweg sehr hochverschuldeten Glasfaserunternehmen, deren operative Ergebnisse infolge von fälligen Refinanzierungen nach der Zinswende nicht mehr ausreichen, um überhaupt die Zinsen zu bedienen. Hinzu kommt, dass die Banken angesichts der Nachfrageschwäche, die eine Amortisation der Investitionen deutlich über den angedachten Rahmen von zwei bis drei Jahren nach hinten schiebt, ihre Kreditkonditionen aus Sorge um Totalausfälle verschärfen. Die Bereitschaft risikobehaftete bloße Ausbau-Marktanteile zu finanzieren, sinkt dramatisch.

Aufgrund der Kreditrestriktionen haben die Eigentümer die Wahl, teils erhebliche Mittel nachschießen zu müssen, um den Leverage zu senken und so die Banken eventuell zur Bewilligung weiteren Fremdkapitals zu bewegen, – oder einer Pleite ins Auge zu sehen. Für die Investoren dürfte das ein Weckruf sein. Denn ein geringerer Fremdkapitalhebel drückt in jedem Fall die erhofften zweistelligen Renditen.

Böses Erwachen

Ähnlich wie im Glasfaserausbau könnte den Anlegern auch bei der Kapitalanlage in Rechenzentren ein böses Erwachen drohen. Einige Branchenkenner warnen bereits der davor, dass der geplante Zubau der Kapazitäten inzwischen die erwartete Nachfrage zumindest mittelfristig übersteigen könnte. Die Annahmen zur Nutzung von KI und der daraus folgende Bedarf an Rechenleistung gelten als überoptimistisch; die hohen Energiekosten könnten die Nachfrage überdies dämpfen. Vor diesem Hintergrund ist der Schuldenberg von 100 Mrd. Dollar, den Cloud-Firmen und andere Investoren aufgetürmt haben, um die Ambitionen des defizitären KI-Stars Open AI zu stützen, ein mehr als wackeliges Gebilde. Falls die erwarteten Cashflow ausbleiben, droht auch hier nach dem Rausch der Kater.