Narhallamarsch im Wohnzimmer
Vor wenigen Tagen war Weiberfastnacht – und keiner hat es gemerkt. Gewiss, Frankfurt zählt wahrlich nicht zu den großen Karnevalshochburgen. Die Zahl derjenigen, die um die Unversehrtheit ihrer Krawatte bangen müssen, war im Bankenviertel deshalb auch in den zurückliegenden Jahren nicht sehr groß – und das nicht nur, weil ohnehin Schlipse in einigen Bankentürmen aus der Mode gekommen sind. Aber dass man in diesem Jahr so gut wie nichts wahrgenommen hat oder wahrnehmen wird, was auf Fasching hinweist, das ist selbst am Finanzplatz ungewöhnlich.
Mag sein, dass sich der eine oder andere in den Zoom- oder Webex-Konferenzen der nächsten Tage mit einer roten Pappnase schmückt oder im Homeoffice den Narhallamarsch erklingen lässt. Im Stadtbild wird sich aber nicht spiegeln, dass am Montag Rosenmontag ist. Ungünstigerweise fällt die fünfte Jahreszeit dieses Mal auf einen recht frühen Termin. Im Jahr 2038 beispielsweise steht der Rosenmontag erst am 8. März im Kalender – das wäre, auf 2021 bezogen, nach dem bislang anvisierten Ende des Lockdowns. Allein: Auch im März wird die Begeisterung für Polonaisen und Partys noch ziemlich überschaubar sein.
Umso mehr richtet sich die Perspektive aller, die sich nach Rückkehr zur Normalität sehnen, auf Sommer und Herbst. Dieser Tage war die Vorfreude riesengroß, als in unserem Briefkasten seit langer Zeit erstmals wieder eine Einladung zu einer Hochzeit eintrudelte, die im Juni stattfinden soll. Statistisch gesehen müsste die Zahl der Hochzeitsfeiern in diesem Sommer eigentlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen. Denn immerhin wurde so manche Vermählung voriges Jahr ja verschoben. Andererseits lässt sich noch nicht die Wucht des Effekts prognostizieren, der die Zahl der Hochzeitsfeste mindern könnte – nämlich dass es ja in Zeiten des Lockdowns beschwerlicher geworden ist, einen Partner fürs Leben zu finden. Unklar ist zudem der Anteil der aufgeschobenen Hochzeiten, die nun doch nicht mehr stattfinden werden, weil Braut und Bräutigam sich im Lockdown in die (unfrisierten) Haare bekommen haben.
Wie dem auch sei: Mit der Buchung des Flitterwochenhotels können sich heiratswillige Paare noch ein wenig Zeit lassen. Denn noch ist vieles frei: Was die Urlaubsplanungen im Jahr zwo der Pandemie angeht, agieren die Bundesbürger bislang noch sehr verhalten – und das, obwohl die Veranstalter bemüht sind, mit flexibleren Stornobedingungen die Sorgen von Frühbuchern zu mindern. Die deutsche Reisewirtschaft berichtet, dass die Buchungen von Pauschalreisen im Sommer und Herbst zwar mittlerweile anziehen – aber auf äußerst niedrigem Niveau. Die Umsätze der Reisevermittler lagen auch zu Jahresbeginn teilweise 90% unter Vorjahr. Dabei ist ein Trend weg von den Balearen und hin zu Griechenland festzustellen. Scheinbar ist die Vorstellung eines Ouzos an der Strandbar attraktiver als die Aussicht, mit Freunden und mit Strohhalmen – selbst wenn das irgendwann wieder erlaubt sein sollte – einen Eimer Sangria leer zu pumpen.