Unterm Strich

Neue Rechtsform: Vom gebundenen zum toten Vermögen

Die Rechtsform der „GmbH mit gebundenem Vermögen“ ist überflüssig und setzt überdies die Koppelung von Risiko und Haftung außer Kraft.

Neue Rechtsform: Vom gebundenen zum toten Vermögen

Das hat in dieser Legislaturperiode noch gefehlt: Ein „Gute-Unternehmen-Gesetz“. Doch die Pandemie hat die politische Agenda umsortiert und das Thema eines Gesetzes für eine „GmbH mit gebundenem Vermögen“ im Rahmen der Reform des Stiftungsrechts in die nächste Legislaturperiode vorgetragen. Dann aber wollen es Grünen-Co-Vorsitzender Robert Habeck und neuerdings auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf die Tagesordnung setzen: Habeck will es nach Möglichkeit schon in Koalitionsverhandlungen „aufs Tableau heben“, wie er gerade auf einer Veranstaltung der Stiftung Verantwortungseigentum bekannte.

Ziel der Initiative, die von etlichen bekannten Familienunternehmern, aber auch Ökonomen wie Michael Hüther, Marcel Fratzscher oder Lars Feld unterstützt wird, ist eine neue Rechtsform für Unternehmen, nach der die Eigentümer nur Treuhänder des Vermögens sind und das Eigenkapital auf Dauer im Unternehmen bleiben soll, also „gebunden“ wird. Auch Gewinne sollen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern thesauriert werden. Die Unternehmer-Gesellschafter bekommen ähnlich wie angestellte Manager eine Vergütung und behalten die volle Kontrolle über alle unternehmerischen Entscheidungen. Vor allem für nicht am Exit orientierte Start-up-Unternehmen wird die neue Rechtsform als Alternative gepriesen. Dies könne dem Ausverkauf aussichtsreicher Start-ups an ausländische Venture-Capital-Geber oder Private-Equity-Investoren entgegenwirken, so die Hoffnung der Initiatoren. Denn im Verkaufsfall muss der Erlös in eine andere GmbH mit gebundenem Vermögen investiert oder einem gemeinnützigen Zweck vermacht werden.

Mit der vor eineinhalb Jahren gegründeten „Stiftung Verantwortungseigentum“ und ihren Plänen für die neue Rechtsform sympathisieren auch weite Kreise der Union. Denn der Zuspruch bei mittelständischen Unternehmen ist groß, wie eine repräsentative Umfrage des Institut für Demoskopie Allensbach bei 417 Geschäftsführern und Inhabern mittlerer und größerer Familienunternehmen ergab. Und so nannte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet die neue gesellschaftsrechtliche Form denn auch einen „interessanten Gedanken“ und Wahlhelfer Friedrich Merz sekundierte, dass man für eine neue Gründerzeit und für die Nachfolgeregelung in Unternehmen neue Optionen brauche. Selbst FDP-Chef Christian Lindner tut sich schwer, bei so viel Gut-Unternehmertum dem Zeitgeist zu widersprechen.

Nur der Verband der Familienunternehmer, der die politischen Interessen von 180000 Familienunternehmen vertritt, hadert mit einer neuen, vorgeblich stärker dem Gemeinwohl und der Nachhaltigkeit verpflichteten Rechtsform. Nicht ohne Grund befürchtet der Lobbyverband eine Zweiklassengesellschaft unter den GmbHs mit der Folge der Bevorzugung der Variante mit Verantwortungseigentum. Eine Sorge, die angesichts der ESG-orientierten Förderung von Investitionen und öffentlicher Auftragsvergabe nicht von der Hand zu weisen ist, zumal nach einem grünen Wahlsieg.

Einzig die Stiftung Marktwirtschaft hat klar Position bezogen gegen die neue Rechtsform und sie eine „ideale Rechtsformblüte für ein alterndes, ängstliches Land“ genannt: „Strukturkonservierend, mit besonderem hoheitlichen Segen und eingebautem guten Gewissen“. Ihre Argumente treffen den Kern. In einer Marktwirtschaft gehören Eigentum und Verantwortung, Risiko und Haftung zusammen. Wenn Unternehmer – ähnlich wie angestellte Manager – im Fall von Fehlentscheidungen nicht an den Vermögensverlusten beteiligt werden, wenn sie im Erfolgsfall auf Teilhabe an Gewinnen und Vermögenszuwächsen verzichten müssen, hat dies negative Folgen für Innovationsneigung und Wettbewerbsfähigkeit.

Es mag Unternehmer im Sinne von Entrepreneurs geben, zumal unter Unternehmensgründern, bei denen die intrinsische Motivation ausreicht. Dies aber durch eine nicht änderbare Rechtsform für immer und ewig für ein Unternehmen festlegen zu wollen, widerspricht jeglicher Erfahrung mit unterschiedlichen Unternehmertypen und Menschen.

Wer die Geschichte von Familienunternehmen kennt – mögen sie Bahlsen oder Voith, Herz oder Thiele, Albrecht oder Schlecker heißen –, der weiß, dass sich Unternehmertum nicht einfach vererben lässt, dass es aber im Stiftungsrecht Lösungen gibt, um Familienschicksal und Unternehmensschicksal zum Vorteil beider zu trennen. Und Stiftungen als Unternehmensträger sind schon ab einem Kapital von 50000 Euro möglich. Anders als die GmbH mit gebundenem Vermögen unterliegen Stiftungen einer strengen Aufsicht und sind nicht gesellschafts- und steuerrechtliches Neuland.

Der große Vorteil der Marktwirtschaft liegt in der effizienteren Kapitalallokation. Chance und Risiko lenken die Kapitalströme. Deshalb ist es zentral, dass erwirtschaftete Gewinne an die Eigentümer ausgeschüttet werden können, damit jene neu über deren gewinnbringende Verwendung entscheiden: über den Verbleib im Unternehmen oder über die Investition in andere Unternehmen. Diesem Prinzip widerspricht die GmbH mit gebundenem Vermögen, die sich schnell zu einer „GmbH mit totem Vermögen“ entwickeln kann. Gefördert würde die Verkrustung der bestehenden Unternehmenslandschaft. Kapital könnte nicht mehr zum besten Wirt wandern, Unternehmer müssten sich nicht mehr dem Urteil des Marktes stellen.

Stagnation und schleichender Niedergang sind die Folge, wenn Unternehmer sich ihrer Selbstverwirklichung widmen und Unternehmen sich nicht an sich verändernde Märkte anpassen können. Die GmbH mit gebundenem Vermögen ist nicht nur überflüssig, weil alle damit angestrebten Ziele auch mit den heutigen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und kleineren Reformen im Stiftungsrecht erreichbar sind, sondern hätte das Gegenteil von nachhaltigem Wirtschaften und verantwortungsvollem Unternehmertum zur Folge.

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