LeitartikelImmobilienmarkt

Neues Spiel für Chinas Wirtschaftslenker

Chinas wackliger Immobilienmarkt wird zur Feuerprobe für die Konjunkturanregungspläne der Regierung. Es wächst die Gefahr von plumpen Stimulierungsversuchen, die das Wirtschaftsvertrauen weiter untergraben.

Neues Spiel für Chinas Wirtschaftslenker

Immobilienmarkt

Neues Spiel für Chinas Konjunkturlenker

Chinas wackliger Immobilienmarkt wird zur Feuerprobe für die Konjunkturanregungsversuche der Regierung.

Von Norbert Hellmann

Mit Chinas Konjunkturdaten für das zweite Quartal ist der schöne Schein einer sich mühelos aus den Schrecken der Null-Covid-Politik befreienden Volkswirtschaft endgültig verflogen. Produktion und Konsum laufen harziger als erwartet. Der Außenhandel zeigt sich von müder globaler Nachfrage und geopolitischen Reizfaktoren gezeichnet. Die ausländischen Direktinvestitionen bröckeln trotz aller verbalen Charmeoffensiven der Regierung weiter ab.

Eine rekordhohe Jungendarbeitslosigkeit bei offensichtlich verstopften Beschäftigungskanälen für die diesjährige Flut an Universitätsabsolventen ist eines der am heißesten diskutierten Themen. Dies sorgt für Mutlosigkeit in der sogenannten Generation Z., auf deren Elan sich die Szenarien für einen vehementen konsumgeleiteten Wirtschaftsaufschwung nach Aufhebung der Corona-Restriktionen besonders kapriziert haben. Und dann ist da noch der in China für rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung aufkommende Immobilienmarkt, bei dem es an allen Ecken und Enden knirscht.

Die Verschuldungskrise chinesischer Immobilienentwickler hat sich entgegen allen optimistischen Beteuerungen der Regierung noch nicht in Wohlgefallen aufgelöst, und ihr Refinanzierungsstress ist größer denn je. In Chinas führenden Wirtschaftszentren Schanghai und Shenzhen, deren Immobilienmärkten eine Leitfunktion zukommt, sieht man ungewohnte Stresssymptome. Sie äußern sich in heftigen Preisabschlägen bei Luxuswohnungsverkäufen und ungewohnt hohen Leerstandsraten für hochwertige Büro- und Gewerbeimmobilien, die sich auf die Marke von 20% zubewegen. Für die zweite Jahreshälfte zeichnet sich in führenden Metropolen ein Angebots-Schwapp von neu fertiggestellten Büroflächen ab, der den Abwärtsdruck auf die Mietpreise erhöhen dürfte.

Peking steht angesichts der morbiden Konjunkturverfassung nun unter Zugzwang. Mit den propagierten Selbsterholungskräften der Wirtschaft und der Stabilisierung des Immobilienmarktes ist es nicht weit her. Mit den altbewährten Methoden der staatsgeleiteten Stimulierung aber auch nicht. Während großzügige Ausgabenprogramme an Verschuldungsgrenzen auf Lokalregierungsebene stoßen, ist die Stabilisierung des Immobilienmarkts aufgrund der Klemme bei den Bauträgern ein ganz anderes Spiel geworden.

Das Modell mit dem Vorverkauf von Wohnungen für geplante Immobilienprojekte ist durch einen doppelten Vertrauensverlust erschüttert worden. Zum einen wissen die Käufer in spe nicht, ob und wann überschuldete Bauträger die Projekte tatsächlich angehen. Zum anderen kann man sich nicht mehr felsenfest auf einen andauernden Wertanstieg von großstädtischen Wohnimmobilien und ihren Charakter als quasi risikofreies Spekulationsobjekt verlassen.

An den Märkten wartet man mit Spannung darauf, ob die Regierung ein Stimulierungsprogramm lanciert, das eine Initialzündung abgibt und die Vertrauensblockade auflöst. Aus einer spontanen Immobilienmarktbelebung via Zinssenkungen und gelockerte Hypothekenkreditauflagen könnte eine Stimmungsaufhellung resultieren, die auch den Konsum wieder ankurbelt, lautet ein Hoffnungswert. Man kann davon ausgehen, dass ein solches Manöver zunächst einen Begeisterungsschub an Chinas Aktien- und Bondmärkten auslöst.

Allerdings lehrt die Vergangenheit, dass zins-und kreditinduzierte Impulse eher Spekulationsblasen in den Wohnungsmärkten der wichtigsten Städte zeitigen, als positive realwirtschaftliche Effekte zu erzeugen. Eigentlich hat Peking mit seinem sozialpolitischen Mantra, dass Wohnungen zum Leben und nicht zum Spekulieren gedacht sind, genau diesem Mechanismus offiziell abgeschworen. Wenn man nun erneut versucht, über den Immobilienmarkt einen Hurra-Effekt zu erzeugen, kann der Schuss nach hinten losgehen. Wird das Stimulierungspaket als Verzweiflungstat Pekings angesehen, die lediglich ein Strohfeuer am Finanzmarkt zündet, ist der Stärkung des Wirtschaftsvertrauens wahrlich nicht geholfen.

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