LEITARTIKEL

Nur noch ein Schimmern

Mit Produkten kann Osram noch glänzen: Den internationalen Musikwettbewerb "Eurovision Song Contest" in zwei Wochen in Tel Aviv lässt der Münchner Lichttechnikkonzern mit Beleuchtungseffekten erstrahlen. An der Börse schimmert das Unternehmen...

Nur noch ein Schimmern

Mit Produkten kann Osram noch glänzen: Den internationalen Musikwettbewerb “Eurovision Song Contest” in zwei Wochen in Tel Aviv lässt der Münchner Lichttechnikkonzern mit Beleuchtungseffekten erstrahlen. An der Börse schimmert das Unternehmen dagegen nur noch matt. Seit dem Höchststand im Herbst 2017 ist der Aktienkurs 60 % in die Tiefe gestürzt. Und es wäre noch schlimmer gekommen ohne die Fantasie, die die Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle mit ihrem Interesse an einer Übernahme von Osram entfachen.Der Konzern bekommt als Frühzykliker Schwächeanfälle der Konjunktur schon seit einem Jahr zu spüren. Im Brennpunkt steht die Autoindustrie, mit der das Unternehmen rund die Hälfte seines Umsatzes erzielt: In guten Zeiten von BMW, Daimler, Volkswagen und Co. erweist sich das als Segen, aktuell eher als Fluch – wegen der Nachwirkungen des neuen Abgastestverfahrens WLTP und wegen China, des größten Automarkts der Welt, der erstmals seit mehr als 20 Jahren schrumpft.Beschleunigt haben die Talfahrt an der Börse falsche Einschätzungen des Managements. Die nagen an dessen Glaubwürdigkeit und am Vertrauen der Aktionäre. Dass die Prognose für dieses Geschäftsjahr (30. September) nicht zu halten sein wird, zeichnete sich schon im Januar ab. Doch erst Ende März senkte der Vorstand den Ausblick – und dann gleich mit Wucht: Anstelle eines leichten Umsatzwachstums wird nun ein Rückgang von 11 bis 14 % erwartet. Die Spanne für die operative Marge reduzierte das Management um 4 Punkte auf 8 bis 10 %. Die Gründe für die drastische Korrektur zeigten sich freilich schon länger: die Marktschwäche in der Autoindustrie, der allgemeinen Beleuchtung und das nachlassende Wachstum der Nachfrage nach mobilen Endgeräten.An der Zuverlässigkeit der Geschäftsprognosen von Osram hapert es schon länger. Zweimal wurden sie im vergangenen Jahr gesenkt. 2016 war die Einschätzung viel zu pessimistisch gewesen. Nach dem Wechsel des Finanzvorstands kündigte das Unternehmen Veränderungen an, unter anderem wurde die Planung vom Sommer auf den Herbst verschoben. Verbessert haben sich die Prognosen jedoch nicht. Die im Herbst 2015 ausgerufenen Ziele für 2020 verschob der Vorstand sogar ins Ungewisse.Weit daneben lag das Management um Konzernchef Olaf Berlien auch mit seiner Einschätzung des Markts für LED-Chips. Die Erwartung, das Geschäft mit den leuchtenden Bauelementen schwanke weit weniger stark als etwa das mit Speicherchips der Halbleiterhersteller, stellt sich als glatter Irrtum heraus. Das fällt für Osram aus mehreren Gründen stark ins Gewicht: Erstens sind die erhofften Kostenvorteile der neuen Produktion in Malaysia aufgrund der schwachen Nachfrage und somit überschaubarer Skaleneffekte perdu. Zudem hat die Konkurrenz nachgezogen.Zweitens sollte der Einstieg ins Geschäft mit LED-Chips für die Allgemeinbeleuchtung – etwa in Büros und Wohnungen – Wachstum bringen und die Abhängigkeit von der Autoindustrie verringern. Nun geht es in beiden Segment im Gleichschritt kräftig abwärts. Drittens war die Entscheidung für die Allgemeinbeleuchtung ein mit dem damaligen Großaktionär Siemens heftig umstrittener Strategiewechsel. Der Osram-Vorstand war also gewarnt.Das Spitzenmanagement steht stark unter Druck. Ein gutes Viertel der Aktionäre verweigerte Konzernchef Berlien auf der Hauptversammlung die Entlastung. Die Gespräche mit den Finanzinvestoren ziehen sich hin. Einerseits drückte die reduzierte Geschäftsprognose den Aktienkurs auf das Niveau von Ende 2014, was eine Übernahme billiger macht. Andererseits senkte Osram die Vorhersage für den freien Cash-flow von einem Mittelzufluss auf einen erheblichen Abfluss. Das gefällt potenziellen Käufern eines Unternehmens gar nicht.Attraktiv bleibt das Unternehmen jedoch wegen seiner starken Marktposition und seiner Innovationskraft mit einer klaren Ausrichtung auf die LED-Technik. Irgendwann wird die Konjunktur wieder anziehen und Osram Vorteile wieder ausspielen können. Die Aufgaben des Vorstands sind bis dahin, die aktuell schwache Kapazitätsauslastung samt Stellenabbau zu bewältigen, Lehren aus dem übertriebenen Optimismus zu ziehen und zuverlässige Prognosen zu erarbeiten. Schlagen die Finanzinvestoren zu, würden sich damit wohl bald andere Manager beschäftigen. Und das Kapitel Börse könnte dann für Osram nur sechs Jahre nach der Erstnotiz schon zu Ende gehen.—–Von Joachim HerrDer Glanz ist verblasst. Die schwache Konjunktur und Fehleinschätzungen des Managements lassen Osram nur noch matt leuchten.—–