Im BlickfeldInvestitionen in Private Equity

Offensive Renditeziele treiben US-Pensionsfonds in Abwärtsspirale

Amerikas Pensionskassen setzen sich hohe Renditeziele und suchen so mitunter gewaltige Finanzierungslücken zu schließen. Dies treibt sie allerdings in zunehmend riskantere und illiquidere Anlagen – eine Entwicklung mit potenziell schweren Folgen für die Finanzmärkte.

Offensive Renditeziele treiben US-Pensionsfonds in Abwärtsspirale

Im Blickfeld

Schwere Prüfung für US-Pensionsfonds

Amerikas Pensionskassen müssen mitunter gewaltige Finanzierungslücken schließen. Dies treibt sie in zunehmend riskantere und illiquidere Anlagen – eine Entwicklung mit potenziell weitreichenden Folgen für die Finanzmärkte.

Von Alex Wehnert, New York

Im Ringen um höhere Renditen sieht sich Amerikas größte Pensionskasse zu einer drastischen Maßnahme gezwungen: Das California Public Employees Retirement System (Calpers) stockt seine Beteiligungen im Alternatives-Markt um über 30 Mrd. Dollar auf. Freigegeben hat das Direktorium des in Sacramento ansässigen Vehikels, das Renten- und Pensionsansprüche für mehr als 2 Millionen aktuelle und ehemalige Beschäftigte im öffentlichen Dienst verwaltet, den Schritt Mitte März. Zugleich will Calpers die Bond- und Aktienquoten verringern – Private Equity, Private Credit und verwandte Assets sollen statt wie bisher 33% künftig 40% des Fondsvolumens ausmachen.

Die Pensionskasse war 2022 noch gezwungen zuzugeben, dass eine zehnjährige Aussetzung der Zukäufe im Private-Equity-Segment sie Investmentgewinne von bis zu 18 Mrd. Dollar gekostet hatte. Beim jetzigen Ausbau der Alternatives-Aktivitäten verweist das Direktorium auf eigene Analysen, die eine starke langfristige Outperformance der Anlageklasse gegenüber allen anderen Assets im Fonds belegten: Über 20 Jahre belaufe sich die annualisierte Rendite von Private Equity auf 12,3%. Nun läuft Calpers diesen vergangenen Überrenditen hinterher – und begibt sich damit tiefer in einen Teufelskreis, in dem auch andere führende US-Pensionskassen gefangen sind.

Große Finanzierungslücken

Dieser läuft wie folgt ab: Die Funded Ratio, also der Quotient aus Assets und Verpflichtungen, ist infolge einer durchwachsenen Performance und steigender Pensionsansprüche über die vergangenen zwei Jahrzehnte dahingeschmolzen. Laut der Strategieberatung Milliman hat sich die Kennzahl infolge der Finanzmarktrally der vergangenen Monate zwar etwas erholt, bei den 100 größten Pensionsfonds der Vereinigten Staaten lag sie Ende Februar aber immer noch nur bei 78,6%. Damit bleiben sie deutlich unterfinanziert – 15 der erfassten Kassen kamen sogar auf Quoten von unter 60%. Die Federal Reserve hat im landesweiten Mittel in den vergangenen Jahren in der Regel noch deutlich niedrigere Werte errechnet als Milliman für die Top 100.

Die Finanzierungslücken treffen dabei mit Renditezielen zusammen, die trotz mehrerer Abwärtskorrekturen in den vergangenen Jahren noch offensiv ausfallen. Bei Calpers liegt die Discount Rate, also die Annahme für den annualisierten Return, beispielsweise immerhin noch bei 6,8%, nachdem die Kasse über lange Jahre Ziele von 7,5% und mehr anstrebte. Selbst die gesenkten Vorgaben hat das größte US-Pensionsvehikel aber regelmäßig verfehlt – ebenso wie viele andere Fonds. Um die selbst gesteckten Ambitionen noch erfüllen und das Wachstum ihrer Assets dem ihrer Verpflichtungen angleichen zu können, sind die Kassen gezwungen, sich in zunehmend riskantere Anlagen vorzuwagen – was in volatilen Marktphasen umso höhere Verluste nach sich zieht und den Aufholbedarf bei der Funded Ratio vergrößert.

Deal-Flaute erschwert Exits

Seit Ende der 1990er Jahre liegt die Aktien- und Alternatives-Allokation staatlicher US-Pensionsfonds laut der Non-Profit-Organisation Pew Charitable Trusts regelmäßig bei 70 bis 75%, zuvor waren Fixed Income und Cash die dominanten Assetklassen. Nun nimmt nicht nur bei Calpers insbesondere der Private-Equity-Anteil in den Portfolios zu. Auch vier der fünf großen Pensionsfonds für Beschäftigte der Stadt New York bauen ihre Beteiligungen bedeutend aus, um ihre Renditeziele von 7% zu erreichen. Bei vielen US-Pensionsfonds liegen die Private-Equity-Allokationen inzwischen sogar über den formulierten Zielen, da eine Flaute an Deals und Börsengängen in den vergangenen beiden Jahren Exits erschwert hat.

Die umfangreichen Positionen in illiquiden Anlageklassen bringen aber neue Herausforderungen mit sich. Das California State Teachers Retirement System (CalStrs), die zweitgrößte öffentliche Pensionskasse der USA, hat ihr Private-Equity-Exposure auf 16,5% des Fondsvolumens ausgebaut und in den vergangenen sechs Jahren jeweils höhere Mittel in die Anlageklasse gesteckt, als die bereits getätigten Investitionen abgeworfen haben. Die Beeinträchtigung des Cashflow bei zeitgleichen Verpflichtungen an Millionen pensionierter Lehrer wird für den Fonds zur schweren Prüfung.

Steigende Verschuldung

CalStrs greift dabei zur kurzfristig einfachsten Lösung und erhöht das Leverage. Im Januar stimmte das Direktorium für einen Vorschlag, der es der Kasse erlaubt, sich zusätzlich bis zu 30 Mrd. Dollar zu leihen – dies entspricht rund 10% des aktuellen Portfoliowerts. Die Mittelaufnahme soll es CalStrs laut dem Investmentkomitee erlauben, laufende Leistungen auszuzahlen, ohne dabei Assets – insbesondere Beteiligungen im kriselnden amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt – zu deutlichen Bewertungsabschlägen veräußern zu müssen.

Neben CalStrs setzen mindestens sieben weitere Vehikel unter Amerikas größten US-Pensionsfonds auf Leverage-Strategien, darunter auch Calpers. Gemeinsam kommen diese auf verwaltete Mittel von rund 1,5 Bill. Dollar. Die Verschuldungsquoten bereiten Analysten auch mit Blick auf das breitere Finanzsystem Kopfzerbrechen, sind Pensionsfonds als führende institutionelle Investoren doch wichtige Liquiditätslieferanten für Amerikas Aktien-, Bond- und Terminmärkte.

Gilt-Krise zeigt weitreichende Risiken auf

Welche Auswirkungen ein schlecht gemanagtes Leverage von Vorsorge-Kassen haben kann, haben die Verwerfungen bei britischen Staatsanleihen im Jahr 2022 gezeigt. Die Pensionsfonds des Vereinigten Königreichs, die hohe Mittel in illiquiden Positionen gebunden hatten, waren nach einem plötzlichen Renditeanstieg und damit einhergehenden Margin Calls auf ihre Repo- und Derivatepositionen gezwungen, in großem Umfang Gilts abzustoßen. Dies verschärfte die Turbulenzen am Bondmarkt und zog wiederum Abverkäufe nach sich.

Auch die US-Pensionsfonds sind laut der Ratingagentur Fitch im laufenden Jahr „in hohem Maß“ anfällig für eine Marktkorrektur. Zwar hätten Kassen wie Calpers ihr Risiko-Reporting zuletzt verbessert, doch die höhere Volatilität ihrer Investments laste auf der Stabilität der Funded Ratios. In der Folge müssten die lokalen und staatlichen Regierungen, in deren Auftrag die Pensionsfonds anlegen, höhere Beiträge leisten, um laufende Verpflichtungen abzudecken.

Druck auf Kommunen

Schon jetzt sei die Lage dabei angespannt – die Arbeitergeberquote bei Calpers-Pensionsleistungen zum Beispiel für Polizisten und Feuerwehrleute liege bei 51,3% und werde bis 2029 voraussichtlich auf 62,2% steigen. Dies hat laut Analysten auch Auswirkungen auf die Finanzierungsaktivität und Rating-Qualität im rund 4 Bill. Dollar schweren Markt für US-Kommunalanleihen.

Bei Calpers soll nach turbulenten Jahren nun allerdings ein neuer Investmentchef den Teufelskreis aus wachsenden Finanzierungslücken und einem Drang in zunehmend riskantere Anlagen aufhalten. Wie die Kasse zu Beginn der laufenden Woche vermeldete, übernimmt Stephen Gilmore, der ehemalige CIO des neuseeländischen Staatsfonds New Zealand Superannuation, den seit September 2023 vakanten Posten im Juli. Dafür braucht er starke Nerven: Seine beiden Vorgänger Nicole Musicco und Ben Meng hielten sich jeweils weniger als zwei Jahre in dem Spitzenjob.

Unterricht an einer High School in Florida: US-Lehrer und andere Angestellte im öffentlichen Dienst sehen die Assets ihrer Pensionskassen seit Jahren dahinschmelzen.