LEITARTIKEL

Osram im hellen Schein

Der Schrecken vor der neuen Strategie ist gewichen. Osram überzeugt mit soliden Geschäftszahlen und vielversprechenden Aussichten. Mittlerweile findet der Münchner Lichttechnikkonzern die Unterstützung der Aktionäre für den Wandel vom...

Osram im hellen Schein

Der Schrecken vor der neuen Strategie ist gewichen. Osram überzeugt mit soliden Geschäftszahlen und vielversprechenden Aussichten. Mittlerweile findet der Münchner Lichttechnikkonzern die Unterstützung der Aktionäre für den Wandel vom Glühlampenhersteller zum Hightech-Unternehmen. Seit dem Absturz vor knapp zwei Jahren hat sich der Aktienkurs fast verdoppelt. Und die Ziele optimistischer Analysten reichen mehr als 20 % über den aktuellen Wert hinaus. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe.Erstens: Abgesehen vom kleinsten Segment Leuchten, Lösungen und Systeme, das in der Verlustzone festhängt, läuft das Geschäft glänzend. Das Unternehmen profitiert von der starken Nachfrage der Autoindustrie, die die Hälfte des Konzernumsatzes ausmacht: Hier ist Osram der größte Anbieter der Welt.Dabei geht es nicht nur um sichtbares Licht von Scheinwerfern, in denen in zunehmendem Maß Leuchtdioden (LED), organische Leuchtdioden (OLED) und Laser zum Einsatz kommen. Unsichtbare Infrarotstrahlen verheißen Wachstum. Immer mehr Sensoren finden sich in Autos, zum Beispiel für Abstands- und Spurhalteassistenten. Osram stellt Optohalbleiter für diese Helfer her. Beginnend in der Oberklasse setzen sich neue Funktionen erfahrungsgemäß bis in die Kompaktklasse durch. Als neues Anwendungsfeld kommt autonomes Fahren hinzu: Sogenannte Lidar-Systeme tasten mit Infrarotlicht die Umgebung des Fahrzeugs ab, um Hindernisse zu erkennen.Osram verlässt sich für diese Innovationen nicht allein auf die eigene Entwicklungsstärke, sondern kauft kleinere Unternehmen und Beteiligungen zu und strebt Kooperationen an, zum Beispiel mit Continental. Kräfte und Wissen zu bündeln ist sinnvoll, spart Zeit und Kosten – wenn die Zusammenarbeit denn gut funktioniert. Osram folgt damit einem Trend in der Autobranche. BMW und Intel etwa bilden eine Allianz fürs autonome Fahren, der sich mittlerweile Fiat Chrysler angeschlossen hat.Der zweite Grund für den Kursanstieg: Die aktuell starke Nachfrage nach Optohalbleitern verschafft der neuen Osram-Fabrik in Malaysia einen idealen Start. Mit dem Werk in Kulim steigt der Konzern im Herbst in das Massensegment der LED-Chips für Allgemeinbeleuchtung ein, etwa für Wohnungen und Büros. Dank der zusätzlichen Fertigung der Premiumprodukte, unter anderem der Infrarotsensoren für die Autoindustrie und Iris-Scanner für Smartphones, wird Osram – zumindest vorerst – die Kapazitäten voll auslasten.Wegen der zunehmenden Verbreitung von LED wächst das Massensegment kräftig, steht aber oft unter Preisdruck. Ein Pluspunkt für Osram: Die modernste Fertigung und Skaleneffekte im neuen Werk ermöglichen die günstigsten Kosten in der Branche – allerdings nur solange Wettbewerber mit Investitionen nicht nachziehen. Im vergleichsweise stark fragmentierten Markt der Optohalbleiter ist Osram mit einem Anteil von 8 % der zweitgrößte Anbieter hinter Nichia in Japan mit 11 %. Das Triumvirat Philips, General Electric (GE) und Osram, das das Lichtgeschäft lange beherrschte und stets auskömmliche Margen einstrich, ist passé.Denn die LED-Technologie wirbelt die Branche durcheinander. Die Folgen: kürzere Innovationszyklen, neue Anbieter, vor allem in Asien, hoher Investitionsbedarf und rascher Preisverfall. Das alte Oligopol hat reagiert: Philips verkaufte das Geschäft mit LED-Komponenten und hat die Sparte mit Lampen und Leuchten an die Börse gebracht. GE plant, sich vom Lichtsegment zu trennen. Siemens leitete vor vier Jahren mit dem Börsengang von Osram den Ausstieg ein. Und die einstige Tochterfirma verkaufte im Frühjahr das Geschäft mit klassischen Lampen und LED-Lampen nach China. Eine richtige Entscheidung, da der erste Teil schrumpft und der zweite in einem besonders harten Preiswettbewerb steht.Osram hat gute Chancen, sich als Hightech-Unternehmen zu behaupten. Forschung und Entwicklung sind ein Trumpf der Münchner: Mehr als 17 000 Patente spiegeln das wider. Und die größte und modernste Fabrik für Optohalbleiter bringt Kostenvorteile. Irgendwann wird sich die Konjunktur allerdings wieder verfinstern. Die relativ hohe Abhängigkeit von der Autoindustrie kann dann schmerzen. Neue Anwendungen für LED-Chips in anderen Produkten werden eine Schwäche der Schlüsselbranche wohl kaum ganz ausgleichen. Ein globaler Abschwung wird die große Bewährungsprobe für das Management, seine Strategie – und die Aktionäre.——–Von Joachim HerrDas Geschäft läuft glänzend: beste Voraussetzungen für die neue Strategie von Osram. Doch der nächste Konjunkturabschwung kommt bestimmt.——-