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Peking buhlt mit Gewalt um Marktvertrauen

China hat Schwierigkeiten, die Marktteilnehmer von Gesundungschancen der Wirtschaft zu überzeugen. Nun versucht man mit fragwürdigen Methoden Investoren bei der Stange zu halten.

Peking buhlt mit Gewalt um Marktvertrauen

China

Peking buhlt um Vertrauen

Von Norbert Hellmann

Chinas Regierungsapparat mitsamt seinen Finanzregulatoren befindet sich in einem eigentümlichen Verrenkungsakt, um den Marktteilnehmern zu signalisieren, dass man die Wirtschaftslenkung voll im Griff hat. Die Realität, nämlich eine immer harziger wirkende Konjunkturverfassung und förmlich ins Auge springende Probleme im Immobiliensektor, wird in offiziellen Verlautbarungen stark heruntergespielt.

Man befindet sich demnach keineswegs in einer Krisensituation, sondern in einer lästigen Übergangsphase, die den Blick auf die unmittelbar bevorstehende Wirtschaftserholung und Stabilisierung des Immobilienmarktes verstellt. Ergo gilt es für die Finanzmarktakteure, gerade jetzt beherzt an Aktienbörsen zuzuschlagen und trotz einer wachsenden Renditekluft zu US-Anleihen den Kapitalanlagen im Yuan das Vertrauen zu schenken. Seit Frühjahr sieht man einen fliegenden Wechsel zwischen vertrauensstiftenden Botschaften, die besagen, dass man sich an der Schwelle zum neuen Aufschwung befindet, und stark ernüchternden Konjunkturdaten, die genau dieses konterkarieren. China-Anleger stecken im Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite lechzt man nach guten Botschaften, auf die sich eine Rally-Bewegung stützen könnte. Auf der anderen Seite hat Peking mit den Schrecken der Null-Covid-Politik und dem massiven geopolitischen Konfrontationskurs ein Klima geschaffen, das das Wirtschaftsvertrauen im eigenen Land dezimiert und ausländische Investoren nach Alternativen Ausschau halten lässt.

Im August hat sich die Situation zugespitzt. Die Verschuldungskrise der Immobilienentwickler wirkt immer haariger, die Gesundungsversprechen der Regierung immer weniger überzeugend. Eine Zinssenkungsaktion hat die Marktteilnehmer erst recht verunsichert, weil ihre Impulswirkung nicht nachvollziehbar ist und den Druck auf den Yuan weiter erhöht.

Nun versucht Peking neue Register zu ziehen und auf institutionelle Investoren direkt einzuwirken. Staatliche Brokerhäuser und Fondsgesellschaften sind dazu aufgefordert worden, keine Nettoverkäufe am Aktienmarkt zu tätigen und voll investiert zu bleiben. Gleichzeitig haben die Regulatoren staatliche Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften einbestellt, um sie zu einem beherzteren langfristigen Engagement im Aktienmarkt zu animieren. Seitens der Wertpapieraufsicht werden Vertreter globaler Fondsgesellschaften zu Gesprächen eingeladen, um ihnen ebenfalls ins Gewissen zu reden. Es riecht nach sanfter Gewalt, mit der Peking die Investoren bei der Stange zu halten versucht. Das ist kein Vertrauensbeweis.

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