Madrid

Reger Wettbewerb auf der Schiene

In Spanien konkurrieren jetzt, einmalig in Europa, gleich drei Wettbewerber um die Passagiere auf der Hochgeschwindigkeitslinie zwischen Madrid und Barcelona. Mit der Liberalisierung des Schienenverkehrs purzeln die Preise, aber ein Manko bliebt.

Reger Wettbewerb auf der Schiene

Reisende zwischen den Metropolen Madrid und Barcelona haben seit Freitag eine weitere Option. Mit Iryo, der Marke des Konsortiums der staatlichen italienischen Trenitalia und der Iberia-Tochter Air Nostrum, hat ein weiterer Anbieter den Verkehr auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke aufgenommen, auf der man die gut 500 Kilometer in zweieinhalb Stunden zurücklegt. Für Ge­schäftsleute gibt es in den Zügen von Iryo einen Arbeitsbereich. Andere Passagiere er­freuen sich günstigerer Preise.

Spanien ist nun das einzige Land in Europa, wo drei Wettbewerber auf derselben Strecke operieren, brüstet sich Transportministerin Raquel Sánchez, nicht verwandt mit Ministerpräsident Pedro Sánchez,. Nach dem Ende der Pandemiebeschränkungen hatte im Mai 2021 Ouigo, die Tochter der französischen Staatseisenbahn SNCF, den Startschuss für die seit langer Zeit anvisierte Liberalisierung des Passagierverkehrs im spanischen Zugnetz gegeben (im Frachtverkehr herrscht schon länger Wettbewerb).

Die Strecke zwischen Madrid und Barcelona ist der lukrativste Schauplatz des neuen Wettbewerbs. Fast die Hälfte des Personenverkehrs im Hochgeschwindigkeitsnetz AVE (Alta Velocidad Española) findet auf dieser stark frequentierten Route statt. Im letzten Jahr waren das 5,6 Millionen Passagiere. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres lag der Verkehr 20% über dem Niveau des vergleichbaren Zeitraums von 2019, vor der Pandemie, wie jüngste Zahlen der Wettbewerbsbehörde CNMC ergeben. Abgesehen von der Strecke zwischen den beiden Metropolen Madrid und Barcelona läuft der Wettbewerb nun auch auf den Verbindungen von Madrid nach Valencia und demnächst nach Alicante und Málaga an.

Die staatliche Renfe, einst Monopolist, brachte die Low-cost-Marke Avlo auf den Markt, um im Preiskampf um die Passagiere mit der neuen Konkurrenz bestehen zu können. Findige und zeitlich flexible Bahnreisende können Schnäppchen für gerade einmal 9 Euro für eine einfache Fahrt von Barcelona oder Valencia in die spanische Hauptstadt ergattern. Mittlerweile liegen die Preise im Durchschnitt gut 40% unter dem Niveau vor der Liberalisierung, berichtete Transportministerin Sánchez.

Das zieht ein ganz neues Publikum an, das in letzter Zeit nicht mehr auf den Zug gesetzt hatte. Denn der massive Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes AVE erntete bei allen Vorteilen auch Kritik. Spanien hat in den letzten 30 Jahren mit 4000 Kilometern das größte Hochgeschwindigkeitsnetz Europas gebaut und dafür rund 60 Mrd. Euro investiert. Auf vielen Strecken wurden jedoch die traditionellen, langsameren, aber dafür deutlich günstigeren Zugverbindungen eingestellt. Der AVE unter Monopolist Renfe war für viele Menschen zu teuer und zwang sie, auf den Bus oder das Auto auszuweichen. Flugtickets von Madrid nach Barcelona waren oft billiger als das Ticket für den ebenfalls schnellen AVE. Zusätzlich ermöglichte die seit Jahrzehnten bewährte „puente aéreo“ („Luftbrücke“) zwischen den zwei Wirtschaftsmetropolen das flexible Reisen ohne feste Flugbindung.

Mit Beginn des Wettbewerbs jagt die Schiene den Airlines nun verstärkt Kunden ab. Der Anteil des Flugverkehrs am Passagieraufkommen zwischen Barcelona und Madrid ist laut Wettbewerbsbehörde von 35% vor ein paar Jahren auf 24% gesunken. Eines der Probleme ist jedoch die fehlende Anbindung der Zugstrecken an die beiden großen Flughäfen Madrid-Barajas und Barcelona-El Prat. Wer etwa von Valencia mit dem AVE nach Madrid fährt, muss auf umständlichem Weg mit dem Nahverkehrszug vom Bahnhof zum Flughafen weiterfahren oder sich mit einem Taxi in den furchteinflößenden Verkehr der Hauptstadt wagen. Daher gibt es weiterhin wenig umweltfreundliche Kurzstreckenflüge von Valencia nach Madrid, obwohl der Zug für die 300 Kilometer nicht einmal zwei Stunden benötigt. Die Bauarbeiten für die Anbindung des Schnellzuges an den Madrider Flughafen sollen aber bald beginnen. Die spanische Regierung setzt stark auf die Schiene als Mittel zur Reduzierung der Treibhausgase. Ganz im Sinne des europäischen Aufbauplans Next Generation EU, aus dem 6,2 Mrd. Euro für das schnelle Zugnetz fließen.

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