Regulierung gehört nicht in die Börse
UBS
Regulierung gehört nicht in die Börse
Ein hoher Aktienkurs kann ein Mittel gegen eine scharfe Regulierung sein. Nach diesem Prinzip verhält sich die UBS.
Von Daniel Zulauf
Ein Aktienkurs kann Fakten schaffen – weil er die Erwartungen der Investoren nicht nur spiegelt, sondern diese auch beeinflusst. Beispiel: Das kleine Unternehmen A hat vielversprechende Projekte in der Pipeline, die sich aber noch kaum im Aktienkurs niederschlagen. Ein größeres Unternehmen B sieht das Potenzial und interessiert sich für eine Übernahme. Es kommt zu vertraulichen Gesprächen. Aber das Unternehmen A zeigt sich renitent. Es will selbständig bleiben.
Plötzlich werden Übernahmegerüchte ruchbar. Der Aktienkurs des umworbenen Unternehmens steigt schlagartig. Dessen Verwaltungsrat gerät ins Dilemma. Bleibt er hart, muss er mit einem Kursrückschlag rechnen. Kann er sich das Risiko leisten, seine Aktionäre zu vergraulen?
Widerstand braucht Rückgrat
Widerstand braucht Rückgrat. Juristen und M&A-Berater verweisen auf die Möglichkeit von Verantwortlichkeitsklagen. Der Zweifel ist gesät. Der widerspenstige Verwaltungsrat kommt ins Grübeln. Was, wenn sich der erwartete Erfolg der Projekte nicht so schnell monetarisieren lässt, wie erhofft? Der Übernahmeprozess läuft. Der Aktienkurs hat Fakten geschaffen.
Das Beispiel hat direkt nichts mit der UBS zu tun. Die Bank ist kein potenzielles Übernahmeobjekt, auch wenn ihre Lobbyisten gerade gern und oft behaupten, dass es so weit kommen könnte. So heißt es aus jener Ecke, die von der Schweizer Regierung am 6. Juni öffentlich gemachten Vorschläge für eine Erhöhung der Eigenmittel um rund 25 Mrd. sfr könnten UBS für Konkurrenten zum interessanten Kaufobjekt machen.
Nur die größten US-Banken
Aber Hand aufs Herz: Die Marktkapitalisierung der UBS beträgt nahezu 100 Mrd. Euro. Ein solches Gewicht könnten nur die größten US-Banken stemmen. Aber denen läuft das Geschäft im riesigen Heimatmarkt eh viel zu gut, als dass sie sich eine überaus komplizierte Großübernahme in Europa antun möchten. Derweil macht die UBS fast alles, um den eigenen Aktienkurs hochzubringen. Dazu gehören auch Maßnahmen, die vor dem Hintergrund großen zusätzlichen Eigenkapitalbedarfs gerade quer in der Landschaft stehen. In den ersten sechs Monaten des Jahres hat die Bank eigene Aktien im Wert von 1 Mrd. Dollar zurückgekauft. Nun hat sie ein neues Aktienrückkaufprogramm im Wert von 2 Mrd. Dollar lanciert. Und just am 6. Juni kommunizierte UBS, dass man an den für 2025 angekündigten Kapitalrückführungsplänen festzuhalten gedenke. Das Versprechen, die Dividende 2025 um weitere 10% pro Aktie auf gut 3 Mrd. Dollar zu erhöhen, gelte weiter.
Die Schweizer Großbank will ihren Aktionären aus dem laufenden Geschäftsjahr also direkt und indirekt gut 6 Mrd. Dollar zukommen lassen. Warum tut sie das? So viel Geld wird sie im schwieriger werdenden Marktumfeld kaum verdienen können. 2024 hatte sich ihr Gewinn auf knapp 5,1 Mrd. Dollar belaufen. Eine Steigerung um 20% auf 6 Mrd. Dollar ist umso unwahrscheinlicher, als UBS schon in den ersten drei Monaten keine Gewinnverbesserung erzielen konnte.
Die Rechnung des Regulators
Statt Kapital anzusparen, wie es die Regierung will, verspricht UBS also mehr Geld auszugeben als sie mutmaßlich verdienen wird. Das Motiv: Die Bank will einen höheren Aktienkurs. Aber was nützt dieser den Aktionären, wenn die Rechnung des Regulators ohnehin noch kommt?
Ein hoher Aktienkurs kann eben Fakten schaffen. So wie der Verwaltungsrat von Unternehmen könnten auch Aufsichtsbehörden und die Politik vorsichtiger werden, wenn die Durchsetzung strenger Kapitalmaßnahmen ein Blutbad an der Börse anzurichten droht. 25 Mrd. sfr zusätzliches Eigenmittel seien viel zu viel, sagt die UBS. Gelingt es ihr, den Aktionären glaubhaft zu machen, dass die Endabrechnung kleiner ausfallen wird, steigt der Aktienkurs - und die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erwartung von selbst erfüllt. So weit darf es nicht kommen: „Der Regulator bestimmt die Regeln, nicht das Geschäftsmodell der Bank“, sagte der frühere Chef der Schweizer Notenbankchef und Blackrock-Vize Philipp Hildebrand unlängst im Interview mit der NZZ. Recht hat er!