LeitartikelSoziales Netzwerk

Reichlich Vorschusslorbeeren

Meta erntet die Früchte ihrer Investitionen in KI – im Kerngeschäft mit Werbung, der Return der gigantischen Summen, die der Konzern ins Metaverse steckt, steht aber in den Sternen.

Reichlich Vorschusslorbeeren

SOZIALES NETZWERK

Reichlich Vorschusslorbeeren

Von Heidi Rohde

Meta erntet die Früchte ihrer Investitionen in KI – im Kerngeschäft mit Werbung, der Return der gigantischen Summen, die der Konzern ins Metaverse steckt, steht aber in den Sternen.

Als Mark Zuckerberg 2016 auf dem Mobile World Congress in Barcelona das Metaverse als das „nächste große Ding“ im Internet ausgerufen hat, lenkte er naturgemäß lieber den Blick auf „fantastische“ neue Anwendungen in virtuellen Welten statt auf die gigantischen Summen, die das weltgrößte Soziale Netzwerk aufwenden will, um diese neuen Welten zu bauen. Seither hat die in Meta umfirmierte Facebook ihren Anlegern Jahr für Jahr die Tränen in die Augen getrieben, wenn sie auf den Kapitalaufwand und die ausufernden Verluste der Sparte „Reality Labs“ schauen – mit der Folge, dass die Meta-Aktie eine lange Talfahrt antrat.

Seit Jahresbeginn reiben sich die Aktionäre erneut die Augen. Diesmal sind es für die, die den richtigen Einstiegszeitpunkt gewählt haben, allerdings Freudentränen. Die Meta-Aktie hat um mehr als 150% zugelegt und andere Tech-Giganten, namentlich Power-Häuser wie Microsoft, Alphabet und Amazon, die ihrerseits auch vom Hype bei künstlicher Intelligenz (KI) profitiert haben, dennoch weit hinter sich gelassen. Denn während das Kerngeschäft dieser drei KI-Stars – vor allem bei Microsoft und Amazon – zuletzt von einem schwachen Konjunktur- bzw. Konsumumfeld beeinträchtigt war, zahlen sich für Meta jene Investitionen, die in eine KI zur besseren Steuerung von zielgerichteter Werbung geflossen sind, zunehmend aus. Die Werbekunden zeigen eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für die von Meta angebotenen maßgeschneiderten Werbepakete. Neue Tools wie der Tiktok-Konkurrent Reels bei der Tochter Instagram und der Twitter-Klon Threads sind gut aus den Startlöchern gekommen und nehmen der Konkurrenz auch aufgrund ausgefeilter KI-gestützter Werbungsprodukte Marktanteile ab.

Auch wenn der überraschend deutliche Umsatzanstieg dieses hochmargigen Meta-Geschäfts zuletzt bei dem Konzern für einen Gewinnsprung von mehr als einem Sechstel gesorgt hat, heißt das allerdings nicht, dass in Zuckerbergs Strategie Aufwand und Ertrag jetzt nachhaltig in einem deutlich besseren Verhältnis stehen – insbesondere dann nicht, wenn man den investiven Kraftakt mit der Konkurrenz vergleicht. Um die Grundlagen für neue KI-gestützte Anwendungen zu schaffen, die auch Voraussetzung dafür sind, dass das Metaverse überhaupt an Kontur gewinnt, hat Meta ihre Ausgaben für den Bau neuer Datenzentren mit ultraleistungsfähigen Rechnern seit 2019 mehr als verdoppelt, auf knapp 90 Mrd. Dollar. Alphabet, die darum kämpft, bei KI Frontrunner zu bleiben, hat ebenfalls aufgerüstet, dabei aber immerhin nur zwei Drittel dessen ausgegeben, was Meta rausgehauen hat.

Unterdessen nehmen die aufgelaufenen Verluste der “Reality Labs” gigantische Ausmaße an. Seit 2019 summiert sich der Fehlbetrag auf rund 43 Mrd. Dollar, 45 Mrd. wenn der Kauf von Oculus (2014) hinzugerechnet wird, mit dem das Soziale Netzwerk den Grundstein für seine Metaverse-Strategie zu legen hoffte. Indes bleibt die futuristische Brille, mit der Nutzer in neue virtuelle Realitäten eintauchen sollen, bisher ein Nischenprodukt und ist keinesfalls eine Triebfeder des Geschäfts. Verglichen mit den Verlusten sind die Umsätze der “Reality Labs” mit zuletzt rund 2,5 Mrd. Dollar im Jahr geradezu kümmerlich und die Perspektiven enttäuschend.

Im Metaverse fehlt es für private Nutzer in der Breite generell an überzeugenden Applikationen, die geeignet wären, eine Initialzündung für die Skalierung des Geschäfts zu sein. Ohne diese lässt sich im Internet kein Geld verdienen. Eine Brille allein kann dabei kein Gamechanger sein, das hat Oculus deutlich gezeigt. Rivale Apple zieht Jahre später dennoch mit einem eigenen Modell ins Feld. Und obwohl die Vision-Brille hochpreisig ist wie jedes neue Apple-Produkt, sind die Chancen des iPhone-Konzerns ungleich besser. Denn Apple hat ebenso wie Google etwas, das Meta fehlt: einen gigantischen App-Store und eine Riesen-Entwickler-Community, die den Unternehmen die teure Entwicklerarbeit auf der Anwenderseite abnimmt und automatisch Reichweite generiert. Die Meta-Aktionäre müssen dagegen fürchten, dass der Konzern Geld in ein Fass ohne Boden füllt. Für Vorschusslorbeeren ist es jedenfalls zu früh.