KOMMENTAR

Risiko eines Totalschadens

Zwei Gewinnwarnungen in fünf Wochen - geht das überhaupt? Leoni macht es vor. Schlimmer noch: So lange ist die dritte Gewinnwarnung des Automobilzulieferers auch nicht her, sie datiert aus dem Oktober 2018. Für die Aktionäre entpuppt sich ihr...

Risiko eines Totalschadens

Zwei Gewinnwarnungen in fünf Wochen – geht das überhaupt? Leoni macht es vor. Schlimmer noch: So lange ist die dritte Gewinnwarnung des Automobilzulieferers auch nicht her, sie datiert aus dem Oktober 2018. Für die Aktionäre entpuppt sich ihr Investment als Horrorgeschichte. Im Februar gab es einen Tagesverlust von 32 %, am Montag waren es 20 %. Unfassbar.Besonders gruselig: Der Konzern leidet (noch) nur geringfügig unter dem nachlassenden Schwung der Abnehmer aus der Autoindustrie. Die Probleme von Leoni sind vielmehr hausgemacht. Wieder einmal hat das hauseigene Frühwarnsystem versagt, diesmal beim Hochlauf einer Fabrik in Mexiko. Dafür gibt es keine Entschuldigung, schließlich ist es nicht der erste derartige Fall bei Leoni. In Osteuropa bekommt die Firma zudem die Fluktuation nicht in den Griff.Der neue Vorstandsvorsitzende Aldo Kamper ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Der Manager, der erst seit September im Amt ist, ist zum Opfer der existierenden Strukturen geworden. Der Konzern ist über die eigenen Fähigkeiten hinausgewachsen. Die Expansion wurde nicht von einer Professionalisierung begleitet. Groteske Personalentscheidungen haben diese Diskrepanz noch gefördert. Dass der Aufsichtsrat einst die Funktionen von CEO und CFO in einer Person zusammenzog, war schon damals ein Witz, weil die Überforderung offensichtlich war. Rückblickend ist es ein Versagen des Kontrollgremiums. Es muss ebenfalls seine Verantwortung übernehmen und Personal austauschen.Das Umbauprogramm von Kamper, der in Finanzfragen wie etwa Ratingthemen auch an seine Grenzen stößt, ist durchdacht und überzeugt inhaltlich. Aber die Maßnahmen brauchen enorm viel Zeit. Währenddessen fließt das Geld in hohem Tempo ab. Das Risiko eines Totalschadens wächst. Was tun?Frisches Kapital qua Kapitalerhöhung hat zum aktuellen Aktienkurs eine enorme Verwässerung zur Folge. Dies käme einem Totalausfall für die Altaktionäre nahe. Eine Übernahme durch einen ausländischen Strategen wäre dagegen für den Standort Deutschland ein Verlust. Leoni mag nicht so bekannt sein wie Audi, beschäftigt aber weltweit eineinhalbmal so viele Menschen wie die Premiummarke.