Notiert inMadrid

Sánchez sonnt sich in der Außenpolitik

Die spanische Regierung wackelt wegen eines Korruptionsskandals gewaltig. Sánchez versucht auf den internationalen Gipfeln abzulenken.

Sánchez sonnt sich in der Außenpolitik

Notiert in Madrid

Sánchez sonnt sich in der Außenpolitik

Von Thilo Schäfer

Die Außenpolitik bietet Regierungschefs oft eine willkommene Abwechslung von den Niederungen der heimischen Politik. Für Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez ist die Aneinanderreihung von internationalen Verpflichtungen dieser Tage ein wahrer Segen und eine Chance, um angesichts des Korruptionsskandals in den Reihen der Sozialisten andere Schwerpunkte setzen zu können. Nach den Treffen der NATO und der Europäischen Union letzte Woche ist Sánchez seit Montag in Sevilla als Gastgeber der Konferenz der Vereinten Nationen für Entwicklungshilfe. Bezeichnenderweise erfuhr der Regierungschef am Montag während der Eröffnungspressekonferenz mit UN-Generalsekretär António Guterres davon, dass seine langjährige rechte Hand Santos Cerdán in Untersuchungshaft überführt wurde. Der Oberste Gerichtshof sah ausreichende Belege dafür, dass der ehemalige Geschäftsführer der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE Anführer eines Rings war, der über Jahre Schmiergelder für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge kassiert haben soll.

Cerdán, der seine Unschuld beteuert, wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe vor zwei Wochen unmittelbar aus der Partei ausgeschlossen. „Wir haben entschlossen durchgegriffen. Jetzt liegt es an der Justiz“, erklärte Sánchez auf der UN-Konferenz in Sevilla. Doch die Affäre wird für Sánchez bedrohlich. Denn die Partner seiner linken Minderheitsregierung und zunehmend mehr Personen aus den eigenen Reihen fordern drastischere Maßnahmen als den Ausschluss der Übeltäter. Sánchez lehnt Neuwahlen jedoch ebenso ab wie die Vertrauensfrage. Der Sozialist baut darauf, dass die rechten Parteien keine Mehrheit für ein konstruktives Misstrauensvotum zusammenbekommt. „Mit fehlt nicht der Wille, sondern nur vier Stimmen“, warnte Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo.

Also nutzte Sánchez die internationale Bühne, um Gummipunkte bei seinen linken Partnern zu sammeln. Beim NATO-Gipfel in Den Haag sicherte sich der Spanier eine Ausnahme von der Anhebung der Verteidigungsausgaben auf 5% der Wirtschaftsleistungen und zog damit den Zorn von US-Präsident Donald Trump auf sich. Der drohte Spanien mit Vergeltung über die Zölle, obwohl Spanien als Mitglied der EU keine eigene Handelspolitik mit den USA betreibt. Bei der linken Wählerschaft in Spanien kommt der Zank mit Trump gut an. In Sevilla gibt es dagegen keine Gelegenheit für weitere Wortgefechte, da Washington keinen Vertreter zur UN-Konferenz schickte. Die Entwicklungshilfe hat Trump schließlich eingestampft. Umso mehr machte sich Sánchez für die Probleme der ärmsten Länder stark. Er sicherte den Teilnehmern, darunter Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, zu, dass Madrid weiterhin 0,7% der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe ausgeben werde. Ob er das Versprechen einhalten kann, muss sich zeigen. Die Opposition führt gerade Gespräche, um die fehlenden vier Stimmen für den Misstrauensantrag aufzuspüren.

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