LEITARTIKEL

SAP 2.0

Die Zahlen waren überraschend gut und doch nur Nebensache. Als SAP am Freitag vorab Eckdaten zum dritten Quartal präsentierte, stand vor allem der Wechsel an der Konzernspitze bei den Investoren im Fokus. Es ließe sich lange darüber spekulieren, wer...

SAP 2.0

Die Zahlen waren überraschend gut und doch nur Nebensache. Als SAP am Freitag vorab Eckdaten zum dritten Quartal präsentierte, stand vor allem der Wechsel an der Konzernspitze bei den Investoren im Fokus. Es ließe sich lange darüber spekulieren, wer nun die Idee für den abrupten Führungswechsel hatte – Aufsichtsratschef Hasso Plattner, der ein Interesse daran haben dürfte, die Weichen für die Zukunft seines Unternehmens längerfristig zu stellen, oder CEO Bill McDermott selbst, der mit starken Zahlen die Chance hatte, sich auf einem Hoch zu verabschieden. Fest steht, dass der fliegende Wechsel auf die Co-CEOs Jennifer Morgan und Christian Klein gut ankam bei den Investoren und den Aktienkurs, der unter der Führung des US-Amerikaners kräftig gestiegen war, noch einmal anschob.Dem deutschen Softwarekonzern ist mit der Stabübergabe an die neue Doppelspitze geglückt, was sich die meisten Unternehmen erhoffen dürften: Zugleich ein Signal für Kontinuität wie auch Erneuerung zu senden. Klein steht trotz seiner erst 39 Jahre auch für eine Fortsetzung des bisherigen Kurses. Als COO ist er schon seit ein paar Jahren mit der operativen Umsetzung der Konzernstrategie betraut. Die 48-jährige US-Managerin Morgan ist nicht nur die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns, sondern auch seit eineinhalb Jahrzehnten bei SAP. Als oberster Fürsprecher des Softwarekonzerns hinterlässt der stets positiv gestimmte McDermott eine Lücke, die die erfahrene Vertriebsmanagerin noch am ehesten füllen kann.Die neue, jüngere Doppelspitze passt zu einem wesentlichen Ziel, das sich SAP mit dem neuen Effizienzprogramm gesteckt hat: Die Verjüngung der Belegschaft insgesamt. Die Konzernverantwortung wird zudem in die Hände gelegt, die ohnehin bereits die wesentlichen Herausforderungen des Dax-Konzerns abarbeiten sollten. Klein hat sich die Verbesserung der zuletzt gesunkenen Anwenderzufriedenheit auf die Fahnen geschrieben. Morgan soll sich um die damit in engem Zusammenhang stehende Integration der zugekauften Cloud-Dienste kümmern. An der M&A-Front hat McDermott zwar zahlreiche Erfolge vorzuweisen. Für einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag hat er in einem knappen Jahrzehnt an der Konzernspitze dafür gesorgt, dass SAP den Zug in die Cloud nicht verpasst und hier sogar eine führende Rolle eingenommen hat. Die traditionelle SAP, die ihr Geld mit dem Verkauf von Softwarelizenzen verdient hat, sollte so ein Upgrade auf Version 2.0 erhalten. Doch die Vielzahl an Diensten greift offenbar noch längst nicht so ineinander, wie die Kunden sich das vorstellen. Die jüngste Befragung der deutschsprachigen SAP-Anwender zeigte einen deutlichen Vertrauensabfall der Nutzer in den Softwarekonzern. Die Beta-Phase, in der Version 2.0 des Konzerns steckt, geht vielen Anwendern offenbar zu lange. Dass die mit der Behebung der Probleme zuständigen Vorstände nun auch für die Konzernstrategie die Verantwortung tragen, ist sicher ein wichtiger Schritt.Dass die Einbindung der eingekauften Softwarehäuser nicht immer leichtfällt, zeigt auch die Integration der erst 2018 für 8 Mrd. Dollar erworbenen Qualtrics. Die Plattform zum Management von Kundenerfahrungen soll integraler Bestandteil der gesamten SAP-Plattform werden und einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber rivalisierenden Angeboten von Wettbewerbern wie Salesforce und Oracle bieten. Technisch ist das laut SAP-Entwicklern vergleichsweise einfach. Eine Integration nur auf technologischer Ebene ist indes weniger, als sich die meisten Kunden von SAP erwarten, wie der neue Co-CEO Klein unlängst angesprochen auf die gesunkene Kundenzufriedenheit bemerkte.Auch muss sich zeigen, ob das neue Führungsduo mit dem exzentrischen Qualtrics-CEO Ryan Smith genauso gut harmoniert wie McDermott, der diesem den Börsengang ausredete. Während SAP an anderer Stelle derzeit für die mittelfristigen Margenziele den Gürtel enger schnallt, nutzt Qualtrics die Vorteile, Teil eines Großkonzerns zu sein, weidlich aus. In Irland wird die Zahl der Mitarbeiter verdoppelt. Am neuen Co-Firmensitz in Seattle soll die Zahl der Stellen auf mehr als 2 000 vervierfacht werden. Und auch privat wurde zuletzt eher geklotzt als gekleckert. Laut “Los Angeles Times” hat Mitgründer Jared Smith mit einem 35 Mill. Dollar schweren Hauskauf in Newport Beach (Kalifornien) für Aufsehen gesorgt. Morgan und Klein dürfte in ihrer Doppelspitze wohl auch die Aufgabe zufallen, den transatlantischen Mentalitätsgraben bei SAP wieder etwas zuzuschütten. ——Von Sebastian SchmidWirtschaftlich hat Ex-Chef Bill McDermott SAP in Hochform übergeben. Über Arbeitsmangel dürfte die neue Doppelspitze aber noch lange nicht klagen.——