LeitartikelDeutsche Autoindustrie

Schicksalsmarkt China

Der einzige der drei größten Automärkte, der noch wächst, ist der chinesische. Die deutschen Hersteller müssen dort aufholen, um global erfolgreich zu sein. Es muss aber schnell gehen.

Schicksalsmarkt China

Deutsche Autoindustrie

Schicksalsmarkt China

Von Joachim Herr

Der einzige der drei größten Automärkte, der noch wächst, ist der chinesische. Die deutschen Hersteller müssen dort aufholen, um global erfolgreich zu sein.

Chinas Autohersteller haben einen klaren Plan für Europa. Auf der Branchenschau IAA Mobility in München ließen sie daran keinen Zweifel. Ganz vorn fährt BYD – in China und global der größte Hersteller von Elektroautos. Ende des Jahres startet das Unternehmen in Ungarn seine erste Produktion in Europa. Zudem komplettiert BYD die Angebotspalette mit einem Kombi und baut ein Vertriebs- und Servicenetz auf. Um europäische Kunden zu überzeugen, bietet die Marke mit den drei Buchstaben nun auch ein Prüfzertifikat für Gebrauchtwagen an.

Trotz der beschleunigten Anstrengungen gibt es weiterhin Vorbehalte gegen chinesische Autos. Der Marktanteil von BYD liegt in Europa gerade mal leicht über 1%. Immerhin erwägt in Deutschland schon etwa jeder sechste Interessent den Kauf eines chinesischen Fahrzeugs, wie eine Umfrage der Boston Consulting Group ergab.

Treue zur Marke

Die deutschen Hersteller haben hierzulande einen Heimvorteil: Die Markentreue ist mit einer Quote von 50% so hoch wie nirgendwo sonst. Doch angesichts der schwachen Nachfrage in Europa und einer fehlenden Wachstumsperspektive hilft das den Unternehmen wenig. VW und Mercedes-Benz passen mit dem Abbau Tausender Arbeitsplätze ihre Produktionskapazitäten an die mageren Zeiten für die Branche an. Der einzige große Markt, der derzeit zulegt, ist der chinesische.

Am stärksten wachsen dort die Elektromobilität und die Segmente, die diese Antriebstechnik mit dem Verbrennungsmotor kombinieren: Plug-In-Hybride und Range Extender zum Verlängern der Reichweite von E-Motoren.

Die Jahre, in denen die deutschen Unternehmen in China mit ihren Autos anscheinend mühelos herausragende Marktanteile und überdurchschnittlich hohe Gewinnmargen erzielten, sind längst passé. Auch Tesla ist inzwischen entzaubert, nicht nur in Asien. Die Chinesen haben aus den Joint-Ventures mit der westlichen Konkurrenz gelernt und eine eigene Autoindustrie aufgebaut. Die ist allerdings weit überdimensioniert. Viele E-Auto-Hersteller sind schon verschwunden, doch es sind immer noch mehr als 100. Der ruinöse Preiskampf fegt weitere Unternehmen vom Markt. Ein harter Kern mit starken Konkurrenten wird aber übrigbleiben.

Filme, Spiele und Karaoke im Auto

Und selbst wenn die deutschen Hersteller mit ihren neuen Elektromodellen eine bessere Antwort für China finden, müssen sie sich den Markt mit weit mehr schlagkräftigen Wettbewerbern teilen als vor Beginn der Stromer-Ära. Mehr Wettbewerb bedeutet mehr Preisdruck. Die Kosten zu senken ist deshalb unumgänglich. Größenvorteile werden noch wichtiger. Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an eine spezielle Ausstattung zu: Die Kundenwünsche der Chinesen unterscheiden sich erheblich von denen in anderen Ländern. So spielt Unterhaltung im Auto für die Kaufentscheidung eine wesentliche Rolle: Filme, Spiele und Karaoke. Nicht von ungefähr wird BMW eine chinesische Variante des kürzlich vorgestellten Elektro-SUVs iX3 der „Neuen Klasse“ im Werk in Shenyang produzieren.

„China-Speed“ ist ein geflügeltes Wort

Ob ein Motor ein paar Kilowatt mehr oder weniger leistet, fällt kaum ins Gewicht – vor allem wenn es im Dauerstau in den Megastädten nur langsam vorwärtsgeht. Sehr schnell ist China dagegen in der Entwicklung von Technologien und neuen Automodellen. Auch als großer Produzent von Batteriezellen hat das Land einen Vorteil. „China-Speed“ ist ein geflügeltes Wort in der Industrie für die hohe Geschwindigkeit. Mit Partnerschaften können europäische Unternehmen nun von den Chinesen lernen und mehr Tempo machen. Ein Beispiel ist die Allianz von Volkswagen mit Xpeng für die Entwicklung von Elektroautos. Solche Kooperationen sind richtig und notwendig.

Die Autokonzerne – Hersteller wie Zulieferer – sind dazu verdammt, in China, dem größten Automarkt der Welt, vorn mitzumischen. Wie wollen sie sonst hohe Skaleneffekte erzielen? In den USA stagniert der Markt mehr oder weniger wie in Europa. Die Zollkapriolen von Präsident Donald Trump machen das Geschäft ohnehin schwieriger. Indien ist bisher nur ein Hoffnungsmarkt. Dort beherrschen heimische Hersteller seit langem das Geschäft. Zu China gibt es keine Alternative. Auch das ist eine Erkenntnis von der IAA Mobility in diesem Jahr.


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