Unterm StrichStaRUG

Schicksalswoche für Leoni

Die Sanierung durch ein StaRUG-Verfahren bei Leoni enteignet die Aktionäre und kollidiert mit den Rechten von Minderheitsaktionären.

Schicksalswoche für Leoni

Das kalte Delisting der Leoni AG

Von Claus Döring

Die Sanierung von Leoni nach dem StaRUG-Verfahren enteignet die 25.000 Aktionäre des Autozulieferers und kollidiert mit den auf dem Aktiengesetz fußenden Rechten von Minderheitsaktionären.

Die rund 25.000 Aktionäre des Autozulieferers Leoni AG stehen vor einer Schicksalswoche. Ein einziger Aktionär darf sich nach dieser Woche die Hände reiben, alle anderen stehen dann mit völlig leeren Händen da und sind auch nicht mehr Aktionär. Grund dafür ist eine Sanierung der im Prime Standard in Frankfurt notierten Gesellschaft nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). Fakt ist: Leoni ist aktuell überschuldet und muss finanziell saniert werden. Fakt ist aber auch: Leoni zählt zu den fünf größten Anbietern von Kabelbäumen und Kabellösungen, gilt für die Autobranche als systemrelevant und steht operativ stabil da. Das Sanierungsgutachten der Unternehmensberatung Roland Berger prognostiziert ein Umsatzwachstum von zuletzt 5,1 Mrd. Euro auf 6,1 Mrd. Euro im Jahr 2026 und eine Steigerung des operativen Ergebnisses Ebit von 16 Mill. Euro (2022) auf 330 Mill. Euro im Jahr 2026.

Soll vor diesem Hintergrund keine andere finanzielle Sanierung und damit Vermeidung der Insolvenz möglich sein als durch ein StaRUG-Verfahren? Der Vorstand von Leoni und dessen strategischer Investor Stefan Pierer, der 16,5 % der Aktien hält, behaupten dies. Ohne Einbeziehung der Streubesitzaktionäre hat Pierer mit den Gläubigerbanken einen Plan entwickelt, der den Gläubigern nur einen Verzicht von 708 Mill. Euro ihrer Forderungen und damit knapp 50% abverlangt gegenüber vermuteten 60% und mehr im Falle einer Insolvenz. Außerdem winkt den Gläubigern für ihren Verzicht ein Besserungsschein. So weit, so gut –  für die Kreditgeber. Die Aktionäre dagegen werden völlig enteignet, das Grundkapital von 32,7 Mill. Euro auf null herabgesetzt. Sie verlieren aber nicht nur den Wert ihrer Beteiligung, auch ihr Bezugsrecht bei der anschließenden Kapitalerhöhung ist ausgeschlossen. Die neu auszugebenden 50 Millionen Stück Aktien im Nennwert von 1 Euro und mit einem Ausgabepreis von 3 Euro darf und wird ausschließlich ein Anlagevehikel des bisherigen Großaktionärs zeichnen. Für eine Bareinlage von 150 Mill. Euro erwirbt der österreichische Unternehmer, der seit kurzem auch im Aufsichtsrat des Leoni-Kunden Mercedes sitzt, also einen Konzern mit 5 Mrd. Euro Umsatz und perspektivisch 330 Mill. Euro Ebit. Auf dieser Basis errechnet sich ein sagenhaftes KGV von 0,45. Einen Kurs freilich wird es nicht mehr geben, denn die StaRUG-Sanierung geht einher mit einem „kalten Delisting“, wie es im Sanierungsgutachten heißt.  

Dass der Zwangsrauswurf den seit Jahren leidgeprüften Leoni-Aktionären die Zornesröte ins Gesicht treibt und sowohl die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) als auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) auf den Plan ruft, kann nicht verwundern. Das StaRUG-Verfahren in der vom Leoni-Vorstand betriebenen Vorgehensweise ist nicht nur gefühlt ein schwerer Schlag gegen Fairness und Aktienkultur, sondern kollidiert in mehrfacher Hinsicht mit dem Aktienrecht. Denn am 31. Mai wird vor dem Amtsgericht in Nürnberg über den Restrukturierungsplan entschieden, ohne dass vorher die Aktionäre über dessen Einzelheiten informiert worden wären oder in einer HV darüber hätten beschließen können. Die nachfolgende ao. HV am 2. Juni ist Makulatur und kann den Sanierungsplan nur noch bestätigen, da selbst bei Ablehnung durch die Aktionäre der Restrukturierungsplan Bestand hat, sofern eine alternative Lösung – hier die behauptete Insolvenz – keine Besserstellung verspricht.

Man kann Stefan Pierer, der seinen Vertrauten und Vorstand der Pierer-Gruppe, Klaus Rinnerberger, erst als Aufsichtsratsvorsitzen zu Leoni entsandt und jetzt zum künftigen CEO befördert hat, schwerlich vorwerfen, die Möglichkeiten des StaRUG für seine wirtschaftlichen Interessen zu nutzen. Doch die sich mit dem Fall Leoni offenbarenden Missbrauchsmöglichkeiten zulasten der Streubesitzaktionäre sollten den Gesetzgeber zu Nachbesserungen beim StaRUG veranlassen.