Autoindustrie

Schönheitsfehler

BMW, Daimler und Volkswagen haben mit guten Zahlen zum Jahresauftakt überzeugt. Das Trio kämpft aber mit Schönheitsfehlern.

Schönheitsfehler

Für die deutschen Autohersteller war es ein Auftakt 2021 nach Maß. BMW, Daimler und Volkswagen steigerten im ersten Quartal Absatz, Erlöse und Gewinne deutlich. Während die Konzerne aus Stuttgart und Wolfsburg in Bezug auf ihre Ausblicke noch einen Schnaps drauflegten, steuert der Anbieter aus München 2021 nunmehr das obere Ende seiner Rendite-Prognosebandbreite im Kerngeschäft an. Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie hat das Trio die Coronakrise mit Bravour gemeistert – auch mit Hilfe der öffentlichen Hand. Mit Kurzarbeitergeld und Kaufprämien für Elektrofahrzeuge stützte Vater Staat deren Geschäftsmodelle.

Bei genauem Hinsehen zeigt sich aber, dass bei den drei Unternehmen des wichtigsten Wirtschaftszweigs des größten EU-Landes doch nicht alles glänzt. Der Aufschwung hat seine Tücken. Die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der Hersteller bergen Schönheitsfehler, die sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht für die Anlageentscheidungen der Investoren am Kapitalmarkt relevant sein könnten.

Vorab ist anzumerken, dass auch die Zahlen des laufenden Dreimonatsabschnitts, die die drei Dax-Schwergewichte im Sommer präsentieren, ebenfalls bravourös ausfallen werden. Das beruht vor allem auf einem Basiseffekt. Zur Erinnerung: Im Frühjahr 2020, während des ersten Lockdowns infolge von Covid-19, fuhren weite Teile der Industrie ihre Produktion herunter, Werke blieben lange geschlossen, das Geschäft machte eine Vollbremsung durch. Die Folge waren Verluste in Milliardenhöhe. Dieser positive Effekt wird in der zweiten Jahreshälfte verpuffen. Denn im Sommer vergangenen Jahres setzte ein Erholungsprozess ein, der in einen rasanten Aufschwung mündete. Folglich fallen die Wachstumsraten im dritten und im vierten Quartal nicht mehr so hoch aus.

Als Störfaktor fressen sich darüber hinaus zunehmend inflationäre Tendenzen in die Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der börsennotierten Autobauer. Die Chipknappheit und die Hausse an den Rohstoffmärkten werfen ihre Schatten voraus. Das ist die Kehrseite der wieder erstarkten Konjunktur. Die Einkaufspreise für Stahl und Metalle wie Radium und Palladium schnellen hoch. Das sorgt für steigende Kosten. Der Margendruck wächst diesbezüglich. Offen ist, ob sich diese erhöhten Aufwendungen auf der Beschaffungsseite auf die Autokäufer abwälzen lassen. Entscheidender Indikator dafür ist die Nachfragestruktur. Als Faustregel gilt, dass Premiumanbieter auf diesem Feld tendenziell besser abschneiden als Volumenhersteller, weil deren Käuferschichten nicht so preissensibel reagieren. Daher verfügen BMW und Mercedes-Benz über Vorteile gegenüber der VW-Kernmarke und anderen Massenproduzenten aus dem Ausland.

Derweil führt die Pandemie stärker denn je vor Augen, wie abhängig BMW, Daimler und Volkswagen vom größten Einzelmarkt China sind. Die Wirtschaft des bevölkerungsreichsten Landes der Erde erholte sich deutlich schneller vom tödlichen Virus als die anderer Staaten. Die Bayern und die Schwaben verkaufen mittlerweile mehr als jedes dritte Fahrzeug in dem kommunistischen Riesenreich. Beim Mehrmarkenkonzern aus Niedersachsen sind es 42% des Pkw-Absatzes.

Das mag in den obersten Führungsetagen der Konzerne für eine Zufriedenheit mit dem eigenen Konzept sorgen, dem Ziel einer möglichst ausgewogenen Absatzrelation zwischen Europa, Nordamerika und Asien spricht es allerdings Hohn. Das Übergewicht Chinas wird noch steigen, wenn man in Betracht zieht, dass die Mittelschicht des Landes erst im Begriff ist, sich deutlich auszudehnen. Das sorgt zwar dafür, dass die chinesische Ertragsquelle auch künftig kräftig sprudeln wird. Die andere Seite der Medaille aber ist, dass man sich noch stärker von Pekings Gnaden abhängig macht.

Im Kampf zwischen den USA und China um die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung laufen BMW, Daimler und VW Gefahr, zum Spielball der konträren Interessen von Washington und Peking zu werden. Was passiert eigentlich, wenn vor dem Hintergrund dieses Konflikts angloamerikanische institutionelle Investoren künftig ihr Engagement in westeuropäischen börsennotierten Unternehmen davon abhängig machen, ob diese in Drittstaaten operieren, die Menschenrechte und demokratische Grundregeln missachten? Wenngleich das deutsche Herstellertrio mit Elektro-Offensiven sich dem erhöhten Druck von Regulierern angesichts des Klimawandels unterwirft, hat es auf diese Frage bei der Schaffung von intrinsischem Shareholder Value noch keine überzeugende Antwort parat.