Im BlickfeldImmobilien

Spaniens Immobilienmarkt ist Zweiklassengesellschaft

Das Interesse aus dem Ausland treibt die Wohnungspreise in die Höhe. Aber immer mehr Menschen können sich das Eigenheim nicht mehr leisten.

Spaniens Immobilienmarkt ist Zweiklassengesellschaft

Spaniens Immobilienmarkt ist Zweiklassengesellschaft

Es wird weniger gebaut, aber die Preise steigen. Jetzt kommt der Mietdeckel.

Von Thilo Schäfer, Madrid

Am Stadtrand von Madrid sind die Spuren der Immobilienblase von Beginn des Jahrhunderts noch sichtbar. In manchen Gebieten breitet sich die Natur aus auf den unbebauten Flächen im Raster der fertiggestellten Straßenzüge. Hier und da drehen sich noch die Kräne, aber es ist spürbar leiser geworden in Spaniens einst so mächtiger Baubranche. Dabei ist hierzulande wie in vielen europäischen Nachbarländern der Mangel an bezahlbarem Wohnraum eines der größten Probleme der Gesellschaft.

Der spanische Immobilienmarkt in der Post-Corona-Zeit ist ein Paradox. Für die meisten Menschen wird der Anspruch auf eine eigene Wohnung durch die Zinserhöhungen und die Preise unerreichbar. Auf der anderen Seite ist das Land im Süden bei internationalen Investoren weiterhin sehr gefragt, besonders die Metropolen Madrid und Barcelona sowie die Mittelmeerküste und die Balearen und Kanaren.

Deutschland zweitgrößter Käufermarkt

Die Zahl der Immobilienverkäufe sank 2023 gegenüber dem Vorjahr um 11% auf 640.000, laut Zahlen der Dachorganisation der Notare, dem Consejo General del Notariado. Die Käufe von Nicht-Residenten gingen jedoch weit weniger zurück. Auch der Anstieg der Transaktionen, die auf einen Schlag und ohne Kredit abbezahlt wurden, auf 35% aller Deals, belegt nach Einschätzung von Experten den höheren Anteil von Käufern aus dem Ausland. Das größte Interesse an einem Haus oder einer Wohnung im sonnigen Süden haben nach wie vor die Briten, doch Deutschland holt als zweitgrößter Käufermarkt für Immobilien auf, wie die Analysten der Großbank BBVA in ihrer jüngsten Marktstudie feststellen.

Spaniens Immobilienmarkt zieht mehr und mehr Vermögende aus dem Ausland an, allem voran Madrid. Die Hauptstadt avancierte im neuesten Ranking des Barnes Global Property Report auf den vierten Platz der beliebtesten Standorte für Superreiche, hinter Dubai, Miami und New York und vor Paris. In letzter Zeit haben immer mehr Angehörige der oberen Schichten in Lateinamerika sich in Madrid eine Erst- oder Zweitwohnung zugelegt, was man im Stadtbild etwa des Nobelviertels Salamanca auch am gastronomischen Angebot erkennt.

Wohnimmobilienpreise steigen

Obwohl das Umsatzvolumen im Markt im vergangenen Jahr rückläufig war, stiegen die Preise für Wohnimmobilien deutlich. Das nationale Statistikamt INE berechnete für das dritte Quartal 2023 einen Preisanstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 4,5%. Die Immobilienplattformen, über welche die Immobilien angeboten werden, kommen auf höhere Zahlen für das Gesamtjahr. So geht Pisos.com von 10% aus und Tecnocasa von 7,5%. Die von Experten am meisten geschätzten Zahlen liefert idealista.com, die führende Immobilienplattform in Südeuropa. Für Januar ergaben die Zahlen aus den Angeboten des Portals einen Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr von 8,2%. Am teuersten sind die Objekte auf den Balearen, wo der Quadratmeterpreis um 14% auf 4.148 Euro stieg.

„Die trotz des Zinsanstiegs anhaltend hohe Nachfrage, das Wachstum der Haushalte und ein klar unzureichendes Angebot – besonders bei Neubauten – waren die Faktoren für den Preisanstieg von gebrauchten Wohnungen 2023. Der Anstieg war besonders stark auf den Inseln und an der Mittelmeerküste, wahrscheinlich wegen der Nachfrage von Personen mit hoher Kaufkraft aus dem Ausland“, kommentierte Francisco Iñareta von Idealista.com die Zahlen.

Neues Gesetz zur Regelung des Wohnraums

Während weite strukturschwache Regionen Spaniens unter Abwanderung leiden, wird es in den Großstädten für viele Menschen immer schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden, sowohl zur Miete als auch erst recht zum Kauf. Die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez reagierte letztes Jahr mit einem neuen Gesetz zur Regelung des Wohnraums. Neben Zuschüssen und anderen Anreizen ist der Schwerpunkt der Maßnahme eine Art Mietpreisdeckel. Der soll in Zonen, die als besonders „angespannt“, also teuer, ausgewiesen sind, angewendet werden. Die Mieten müssen sich dort an einem neuen Preisindex orientieren, den die Regierung bislang jedoch noch schuldig geblieben ist und über dessen Methode im Markt Unklarheit herrscht. Es wird unterschieden zwischen kleinen Eigentümern, die weniger als fünf Immobilien vermieten, und allen anderen darüber. Manche von den Konservativen regierte autonome Regionen wollen gerichtlich gegen das Wohngesetz vorgehen.

Katalonien dagegen wird als erster Landesteil die Mietpreisbremse in den nächsten Wochen einführen. Die katalanische Immobilienbranche klagt derzeit über die Unsicherheit bei Mietern und Vermietern. Viele warten daher erst einmal ab mit einem Wohnungswechsel, bis Fragen wie der Preisindex geklärt sind. „Der Mangel an Rechtssicherheit für die Eigentümer ist der wichtigste Grund für das beschränkte Angebot an Mietwohnungen“, kritisiert BBVA in ihrem Bericht. Als eine naheliegende Folge des Preisdeckels ist der Anteil an Wohnungen, die nur befristet vermietet werden, in den betroffenen Zonen zuletzt deutlich gestiegen.

Staatliche Bürgschaften

Letzte Woche verabschiedete die Minderheitsregierung der Sozialisten der PSOE und Linken von Sumar eine weitere Maßnahme zur Linderung der Wohnungsnot. Der Staat gibt 2,5 Mrd. Euro frei, um über die öffentliche Kreditanstalt ICO Bürgschaften für Hypotheken zu geben, für Leute, die sich das selbst nicht leisten können. Die Regierung geht von 50.000 Begünstigten aus, deren Jahreseinkommen maximal 38.000 Euro betragen darf. Der Koalitionspartner Sumar ist mit der von den Sozialisten angestoßenen Maßnahme nicht zufrieden, da man fürchtet, dass die Zuschüsse den Markt noch mehr befeuern. Die Linken schlagen dagegen ein Verbot von Immobilienverkäufen in den als angespannt ausgewiesenen Zonen an reine Investoren vor. Heißt, wer sich im Zentrum von Madrid oder Barcelona eine Wohnung zulegt, muss auch selbst darin wohnen. Die Sozialisten lehnen die Idee jedoch ab.

Baubranche leidet unter Personalmangel

In der Branche und bei vielen Experten fürchtet man, dass Auflagen und Beschränkungen sich negativ auf die Investitionen und somit auf das Angebot an Wohnraum auswirken. Dabei leidet die Baubranche wie anderswo in Europa auch in Spanien unter den hohen Material- und Energiepreisen sowie einem zunehmenden Personalmangel. BBVA fordert daher weniger Bürokratie. Außerdem bemängeln Marktteilnehmer das langsame Tempo bei der Anwendung der Hilfen aus dem Next-Generation-EU-Fonds.

Entscheidend für die Entwicklung am Markt wird jedoch auch die erwartete Zinswende im Euroraum, wann auch immer die Europäische Zentralbank den Wechsel einläuten wird. Günstigere Hypotheken könnten eine Nachfrage anspornen, die sich eben wegen der hohen Zinsen beim Wohnungskauf zuletzt zurückgehalten hat, räsonierte Iñareta von Idealista.com. Die Banken verzeichneten einen Rückgang der Vergabe von Baudarlehen im letzten Jahr. Andererseits blieb der von manchen befürchtete Anstieg der Zahlungsausfälle aus.

Weniger Verkäufe

Die Analysten von Caixabank Research erwarten für dieses Jahr einen weiteren Rückgang der Transaktionen, bei steigenden Preisen. So auch die Kollegen von BBVA. „Die Preise werden 2024 weiter steigen bei einem Rückgang der Verkäufe. Der Mangel an Angebot, vor allem an Neubauten, wird den Preis aufrechterhalten. 2025 werden die Preise wegen der wachsenden Nachfrage nach einem begrenzt erhältlichen Produkt etwas intensiver zulegen“, heißt es in dem Bericht. Spaniens Linksregierung muss dennoch hoffen, dass die eingeleiteten Schritte wie der Preisdeckel Wirkung entfalten. Ansonsten müsste man sich etwas anderes überlegen, etwa Wege um den schleppenden Neubau von Wohnraum zu animieren.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.