Im BlickfeldBritische Banken

Steigende Zinsen, schrumpfende Bilanzen

Für britische Banken wird das Umfeld schwieriger. Wenn sich Kredite verteuern, werden weniger nachgefragt. Sparer schichten in Festgeld um. Das drückt auf die Zinsmarge. Höhere Ausschüttungen wären politischer Sprengstoff.

Steigende Zinsen, schrumpfende Bilanzen

Steigende Zinsen, schrumpfende Bilanzen

Für britische Banken wird das Umfeld schwieriger. Wenn sich Kredite verteuern, werden weniger nachgefragt. Sparer schichten in Festgeld um. Das drückt auf die Zinsmarge. Höhere Ausschüttungen wären politischer Sprengstoff.

Von Andreas Hippin, London

Wer angesichts steigender Zinsen darauf gehofft hatte, dass die britischen Banken satte Gewinne erwirtschaften und diese in Form von hohen Ausschüttungen an die Aktionäre weitergeben werden, dürfte enttäuscht werden. Das Geschäft läuft zwar nicht schlecht, wie die nun anstehenden Quartalsergebnisse belegen werden. Und die Zeit der Pandemie, in der die Aufsicht die Zahlung von Dividenden kurzerhand untersagte, ist vorbei. Doch stehen im Vereinigten Königreich im kommenden Jahr Unterhauswahlen an, und der große Abstand zwischen den Zinsen, die für Hypotheken und andere Kredite verlangt werden, und den Zinsen, die Sparer für ihre Guthaben erhalten, ist ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.

Dabei geben britische Banken Leitzinserhöhungen in größerem Umfang an die Einlagenkunden weiter als Institute in anderen europäischen Ländern. Doch Labour ist unter der Führung von Keir Starmer zum Anwalt der Eigenheimbesitzer geworden, die unter den rasant nach oben schnellenden Monatsraten ihrer Hypotheken ächzen. Und Schatzkanzler Jeremy Hunt wollte nicht nachstehen und bestellte die Bosse der Großbanken zu sich, um ihnen ins Gewissen zu reden. Wie die Supermarktbetreiber, denen “Greedflation” vorgeworfen wird, sind die Institute im Vorwahlkampf zu Prügelknaben geworden. Das betrifft vor allem die beiden größten Hypothekenanbieter des Landes, Lloyds Banking Group und Natwest (zuvor Royal Bank of Scotland). Sie dürften sich also davor hüten, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen, indem sie ihre Aktionäre großzügig bedenken. Auch Barclays und HSBC vergeben in ihrem durch eine Brandmauer von riskanteren Geschäften getrennten Retail Banking Hypotheken.

Briten bauen Schulden ab

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Das Vorwahlkampfgetöse hat Zweifel an der Finanzstabilität geweckt und die Kurse von Bankaktien belastet. Schließlich können sich die Briten noch gut an die Finanzkrise von 2008 erinnern. Doch ist die Situation heute eine ganz andere. Man dürfe sich vom Lärm und der Hysterie um die steigenden Zinsen nicht irremachen lassen, heißt es in einer Studie der US-Investmentbank Jefferies. Viele Hausbesitzer haben ihre Hypotheken abbezahlt. Die Zahl der Objekte, die sich in schuldenfreiem Besitz ihrer Bewohner befinden, lag mit zuletzt 9,3 Millionen weit höher als die Zahl der Eigenheime, die noch mit Krediten belastet sind (6,5 Millionen). Während die Eigentümer ihre Schulden abbezahlten, stiegen die Immobilienpreise. Lag die Verschuldung der privaten Haushalte im März 2008 noch bei 164% des verfügbaren Einkommens, ist dieser Wert zuletzt auf 133% zurückgegangen. Der vom Hypothekenanbieter Nationwide ermittelte Hauspreisindex stieg unterdessen um knapp die Hälfte.

Wie die Analysten von Jefferies ermittelt haben, konzentrieren sich die Immobilienschulden in den höchsten Einkommensgruppen. Drei Fünftel der ausstehenden Hypotheken verteilen sich auf die drei obersten Zehntel, 70% auf die obersten vier Zehntel. Auf das oberste Zehntel allein entfällt mehr als ein Viertel (27%). Die Experten der US-Bank haben in ihrem Szenario die Auswirkungen einer Umstellung auf eine Hypothek mit 6% Zinsen, einen Anstieg der Mieten um 20% und eine Teuerungsrate von 10% unterstellt. Nach ihrer Rechnung könnten die obersten vier Zehntel in diesem Fall ihren Konsum uneingeschränkt fortsetzen, die untersten vier Zehntel müssten sich dagegen einschränken, weil ihre Budgets von Inflation und Mieterhöhungen stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Über alle Einkommensgruppen hinweg ginge das Nachsteuereinkommen im Schnitt um 6% zurück. Das würde alles in allem keine wesentlichen Einschränkungen des diskretionären Konsums erforderlich machen. Der wichtigste Treiber von Kreditausfällen sei Arbeitslosigkeit. Derzeit sind in Großbritannien aber immer noch rund eine Million Stellen ausgeschrieben. Was sind also die wirklichen Themen der Quartalssaison?

“Wir erwarten, dass bei den Geschäftszahlen der britischen Banken schrumpfende Bilanzen im Fokus stehen werden”, schrieb Robert Noble, der Branchenexperte der Deutschen Bank, in seinem Ausblick. Steigende Zinsen führten zu einer Verlangsamung der Kreditnachfrage und einer Schrumpfung des Kreditbuchs. Die Einlagen gingen aber noch stärker zurück, und der Ausblick sei unklar. Die Spreads auf Einlagen seien breiter als die Spreads im Kreditgeschäft. Deshalb wirke sich ein sinkendes Einlagenvolumen stärker auf die Nettozinsmarge aus. Bankkunden haben in den vergangenen Monaten zinsfreie Sichteinlagen in hohem Umfang in Festgeld umgeschichtet, um von den steigenden Zinsen zu profitieren. Die Institute versuchten, ihre Margen zu schützen, indem sie Zinserhöhungen nicht weitergaben. Im Mai senkten sie sogar den durchschnittlichen Zins auf jederzeit zugängliche Spareinlagen von 1,4% auf 1,3%.

Die Analysten von Keefe, Bruyette & Woods (KBW), der auf Finanzdienstleister spezialisierten Tochter der US-Investmentbank Stifel, nannten dieses Vorgehen angesichts des heraufziehenden politischen Sturms “bemerkenswert”. Eigenheimbesitzer zahlten ihre Hypotheken zurück, allerdings scheint sich bei diesem Trend das Tempo verlangsamt zu haben. Noble machte auf einen positiven Effekt aufmerksam: Schrumpfende Bilanzen bedeuten einen Rückgang der risikogewichteten Assets. Das würde den Weg für höhere Ausschüttungen frei machen, weil entsprechend weniger Kapital vorgehalten werden müsste.

Leitzins stieg schneller als erwartet

Die Einnahmen aus Absicherungsgeschäften der Banken (Structural Hedge Portfolios) werden aus Sicht des Jefferies-Teams von Joseph Dickerson in diesem Quartal ebenfalls eine große Rolle spielen. Deren Nennwert sei mit dem beschleunigten Zustrom von Einlagen während der Pandemie deutlich gestiegen. Zudem liege der Leitzins von derzeit 5,00% bereits über den 4,25%, auf denen die Gewinnziele von Barclays, Lloyds und Natwest für dieses Jahr fußen.

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Barclays, HSBC und Standard Chartered sind zudem im Investment Banking aktiv. Die großen US-Investmentbanken haben bereits Zahlen vorgelegt. Ihr Handelsgeschäft entwickelte sich nicht so schlecht wie befürchtet. Es ging im Vorjahresvergleich um ein Zehntel zurück. Analysten hatten mit einer Schrumpfung um 15% gerechnet. Für die bessere Performance waren das kapitalintensive FICC-Geschäft, der Handel mit Anleihen, Devisen und Rohstoffen, sowie das Aktiengeschäft verantwortlich. Die Gebühreneinnahmen schrumpften insbesondere im Segment Advisory. Das DCM-Geschäft (Debt Capital Markets) stagnierte. Das ECM-Geschäft (Equity Capital Markets) verzeichnete starkes Wachstum, kam allerdings von einer niedrigen Ausgangsbasis.

Lloyds Banking Group eröffnet am Mittwoch (26. Juli) die Quartalsberichterstattung der britischen Großbanken. Am Donnerstag (27. Juli) folgt Barclays. Natwest und Standard Chartered geben am Freitag (28. Juli) Einblick in ihre Bücher. HSBC zieht am darauffolgenden Dienstag (1. August) Bilanz.

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