KommentarChina-Strategie

Suche nach der neuen Normalität

Wie das neue Zaubermotto „De-Risking“ konkret umgesetzt werden kann, muss die Bundesregierung noch in einer China-Strategie klären.

Suche nach der neuen Normalität

China-Strategie

Suche nach der neuen Normalität

Von Andreas Heitker

Wie das neue Zaubermotto „De-Risking“ konkret umgesetzt werden kann, muss noch in einer China-Strategie geklärt werden.

Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind vielschichtig, aktuell aber vor allem eines: nämlich schwierig. Dies zeigte sich bei den ersten Regierungskonsultationen seit fünf Jahren mehr als deutlich. Während Bundeskanzler Olaf Scholz, der chinesische Regierungschef Li Qiang und ihre zahlreichen Minister am Dienstag versuchten, neue Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit und neue Dialogformate zu finden, wurde zeitgleich ebenfalls in Berlin der Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Und in dem wird China als größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage gebrandmarkt. Und in Brüssel stellt die EU-Kommission zeitgleich eine neue Wirtschaftssicherheitsstrategie vor, in der es ebenfalls vor allem darum geht, das Verhältnis zu China neu zu justieren.

Sowohl in Brüssel als auch in Berlin will man aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine die richtigen Schlüsse ziehen, die Wirtschaft schützen und zugleich einseitige Abhängigkeiten vermeiden. Wie das neue Zaubermotto „De-Risking“ aber umgesetzt werden soll, bleibt umstritten. Auch die Ampel hat es bislang ja nicht geschafft, ihre angekündigte neue China-Strategie vorzulegen.

Bundeskanzler Scholz merkte man beim Besuch von Li und seiner Delegation den Balanceakt an, der daraus folgte: Auf der einen Seite versucht er, Peking beim Thema Klimaschutz und grüne Transformation der Wirtschaft stärker mit ins Boot zu holen. Auf der anderen Seite stellte er klar, dass sich Deutschland in Asien breiter und „ausgewogener“ aufstellen wolle – wohl wissend um die Abhängigkeit von Rohstoffen aus China, gerade auch in Bezug auf die Energiewende und die grüne Transformation. Auf der einen Seite appelliert Scholz an Chinas Verantwortung für die Beendigung des Kriegs in der Ukraine und für die globale Ernährungssicherheit. Auf der anderen Seite will er auf die Angebote Pekings zu einer noch verstärkten bilateralen Zusammenarbeit, mit der Li lockt, nicht recht eingehen. Auf der einen Seite fordert Scholz offene Arbeitsbedingungen für deutsche Korrespondenten in China. Auf der anderen Seite findet im Kanzleramt im Anschluss an die Regierungskonsultationen eine Pressekonferenz statt, in der (offenbar auf Wunsch der chinesischen Seite) keine Fragen der anwesenden Journalisten zugelassen werden. Wie gesagt: Der Beziehungsstatus ist ambivalent und schwierig, und die Suche nach einer „neuen Normalität“ im bilateralen Verhältnis ist noch längst nicht abgeschlossen.

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