M&A

Tech-Deals auf Rekordkurs

Dass die Technologiebranche zu den Gewinnern der Coronakrise gehört, kann kaum überraschen, denn der in Alltag und Beruf vielfach erzwungene Digitalisierungsschub schürt die Nachfrage nach sämtlichen Software- und Service-Angeboten aus dem Internet....

Tech-Deals auf Rekordkurs

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Dass die Technologiebranche zu den Gewinnern der Coronakrise gehört, kann kaum überraschen, denn der in Alltag und Beruf vielfach erzwungene Digitalisierungsschub schürt die Nachfrage nach sämtlichen Software- und Service-Angeboten aus dem Internet. Dies verhilft nicht nur Börsenkursen im Technologie-, Medien- und Telekomsektor (TMT) zu Höhenflügen, sondern schlägt auch unmittelbar auf das M&A-Geschäft in der Branche durch. Von Krise und Unsicherheit keine Spur! Die M&A-Boutique Hampleton Partners rechnet im laufenden Jahr mit einem deutlich zweistelligen Wachstum und neuen Rekordmarken.

Langfristig zeigt sich seit dem Ende der Dotcom-Krise eine signifikante Korrelation zwischen der Kursentwicklung an der führenden US-Technologiebörse Nasdaq und dem Transaktionswert bei M&A im Sektor. Im Coronajahr gab es zwar einen herben Knick im April und im Mai, als das Volumen auf 7 Mrd. bzw. 6 Mrd. Dollar absackte, aber dann ging es steil aufwärts bis hin zu einem Spitzenwert von 106 Mrd. Dollar allein im Oktober. Im Gesamtjahr belief sich der Transaktionswert aller M&A-Deals in der Branche auf nahezu 900 Mrd. Dollar. Dabei ist bemerkenswert, dass die Anzahl von Fusionen und Übernahmen über die Jahre mehr oder minder konstant bleibt, bei um die 4000.

Trotz Coronakrise fiel die Tech-Branche 2020 einmal mehr mit herausragenden „Blockbustern“ wie der 40 Mrd. Dollar schweren Übernahme von ARM durch Nvidia oder auch dem Kauf von Slack durch Salesforce für 28 Mrd. Dollar auf.

Der Softwaresektor ist im Kern Treiber der Rekorde. Hier nimmt nicht nur die Schlagzahl der Deals beeindruckende Ausmaße an, sondern vor allem auch die Bewertungen. Größter Deal im deutschsprachigen Raum war die Übernahme von Veeam Software durch Insight Venture für 5 Mrd. Dollar. Hier wurde der 5-fache Umsatz gezahlt. Häufig gehen Start-ups oder Anteile an jungen Firmen, die allenfalls Einnahmen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich vorweisen können, für den zehnfachen Umsatz und mehr über den Tisch. Die vorbörslichen Finanzierungsrunden von sogenannten Einhörnern, denen ein Wert von mehr als 1 Mrd. Euro zugetraut wird, werfen ein bezeichnendes Licht auf diese Entwicklung.

Software hoch bewertet

Global betrachtet führt der Enterprise-Software-Sektor die Bewertungen mit Ertragsmultiples von im Durchschnitt fast 15 an, wobei der Spitzenwert seit 2004 im Jahr 2019 mit einem Faktor 17,2 erreicht wurde. Etwas moderater geht es im Bereich Digital Commerce zu, wo sich Unternehmen mit Internet gestützten Geschäftsmodellen wie dies bei Spotify oder Netflix der Fall ist, tummeln. Dort hat Hampleton Ertragsvielfache von 10,5 im Spitzenjahr 2019 registriert. Im IT-Service gingen Unternehmen zuletzt für ein Multiple von 8,6 über den Tisch.

Eine starke Triebfeder des Rekordlaufs von M&A im Tech-Bereich sind die Private Equity-Gesellschaften, die in der DACH-Region im vergangenen Jahr an einem Drittel aller Deals beteiligt waren, in einzelnen Monaten an fast 40%. Die großen Buy-out-Fonds sitzen auf prall gefüllten Kassen, weil Versicherer, Pensionskassen und andere große Institutionelle sich auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten immer stärker Private Equity zuwenden, da ihre Aktienquote häufig begrenzt ist und Anleihen schon lange nichts mehr abwerfen. Dies erhöht den Anlagedruck von Finanzinvestoren, allerdings wirkt sich die fehlende Konkurrenz durch andere Anlageformen auch zu ihrem Vorteil aus. Wenn sich Apax, KKR, Permira und Co nur mit Renditen im Null-Komma-Bereich am Anleihemarkt vergleichen müssen, ist zumindest der Druck, selbst Returns jenseits der 30% zeigen zu müssen, auch etwas vermindert. Dies und der scharfe Wettbewerb um attraktive Anlageziele treibt möglicherweise die Zahlungsbereitschaft und damit die Kaufpreise in die Höhe.

Cash-flows locken

Nicht zuletzt hat der Technologiesektor mittlerweile eine ganz andere Anziehungskraft für Finanzinvestoren entwickelt als früher. Software- und internetbasierte Geschäftsmodelle gelten nach hohem Anfangsentwicklungsaufwand als – idealerweise global – skalierbar und äußerst ertragreich. Hinzu kommt der Um­bruch im Softwaremarkt vom eher schwankungsanfälligen Lizenzmodell hinzu zum stetigen Modell von Software as a Service (SaaS). Das Geschäft mit den berechenbaren und stetig fließenden Abonnementgebühren für Software aus der Cloud rückt die Branche, was den Cash-flow betrifft, plötzlich in eine Reihe mit den von Finanzinvestoren ebenfalls begehrten Infrastruktur-Assets. Allerdings sind die Erlöse im Softwaregeschäft deutlich höher.

Sorge vor überhöhten Einstiegspreisen bei jungen Unternehmen müssen sich die Investoren zumindest in Europa noch nicht machen. Denn bisher gilt immer noch: Ein Einstieg hierzulande und ein Exit am US-Kapitalmarkt sichert eine ordentliche Ertragsspanne. Kritisch wird es erst, wenn die Anleger an der Nasdaq kalte Füße bekommen.