LeitartikelCloud

Tech-Riesen droht ein Wolkenbruch

Die Erlöse von Amazon aus dem Cloud-Geschäft haben im Auftaktquartal so schwach zugelegt wie nie, auch bei der Konkurrenz hat sich das Wachstum verlangsamt. Dies ist besorgniserregend, steht die Bereitstellung von IT-Ressourcen als Profitabilitätstreiber doch besonders im Fokus.

Tech-Riesen droht ein Wolkenbruch

Cloud

Wolkenbruch für Big Tech

Von Alex Wehnert

Das langsamere ­Wachstum der ­Tech-­Riesen im ­Cloud-­Geschäft löst bei Investoren zu Recht Sorgen aus.

Neben der künstlichen Intelligenz ist die Cloud zum umkämpften Wachstumsfeld für die Technologiebranche geworden – doch droht den führenden Konzernen des Sektors nun ein heftiger Wolkenbruch. Denn bereits die Zahlen der Branchenvertreter zum ersten Quartal des laufenden Jahres zeigen einen besorgniserregenden Trend im Geschäft mit der Bereitstellung von IT-Ressourcen und Rechenleistung auf. Insbesondere bei Amazon entwickelt sich das Cloud-Segment nicht mehr wie erhofft: Zwar wuchs der Umsatz der Tochter Amazon Web Services (AWS) im ersten Quartal noch um 16%, allerdings fiel die Steigerung damit so niedrig aus wie nie, seit der Konzern im Jahr 2015 mit der gesonderten Ausweisung dieser Daten begann. In der Vergangenheit erreichte das Unternehmen regelmäßig Zuwächse von 30% und mehr.

Und es kommt noch dicker: Im April fiel die Wachstumsrate auf 11%, wie Amazon in einem Investorencall bekanntgab. Kurbelt der Online-Riese, der in anderen Geschäftsbereichen besser abschnitt als erwartet, die Cloud-Erlöse nicht noch kräftig an, dürfte er auch im zweiten Quartal hinter den bereits niedrig angesetzten Prognosen der Wall Street zurückbleiben. Die Aussichten nehmen sich jedenfalls nicht gerade positiv aus: In einem allgemein eingetrübten Konjunkturumfeld, in dem viele Stimuli aus Coronazeiten ausgelaufen sind, sinkt die Ausgabenbereitschaft für IT-Kapazitäten ebenso wie in anderen Bereichen.

Dass sich dies aber schon so deutlich bemerkbar macht, überraschte offenbar doch viele Investoren, entsprechend setzte die Amazon-Aktie nach Bekanntgabe der Quartalszahlen Ende April zurück. Wer nun einwendet, AWS generiere mit weniger als 17% noch immer einen recht geringen Anteil der Gesamterlöse von Amazon, übersieht vor allem eins: Mit seinen Retail-Aktivitäten hat der Konzern über die vergangenen sechs Quartale hohe Verluste angehäuft, gerade im internationalen Geschäft bestehen weiterhin große Belastungen. Die Cloud ist damit der entscheidende Treiber für die Profitabilität des Konzerns und steht als solcher zu Recht besonders im Fokus der Investoren.

Mit einem Marktanteil von 34% ist Amazon laut einer Analyse von Synergy Research der führende Cloud-Anbieter. Die jüngsten Zahlen deuten indes darauf hin, dass der Online-Riese gegenüber der Konkurrenz an Boden verliert. Doch wenngleich Microsoft die Erlöse der Sparte Azure im Auftaktquartal um 27% und damit stärker als erwartet steigerte: Auch beim Windows-Konzern fällt das Wachstum in dem Bereich so niedrig aus wie nie. Ähnlich geht es Alphabet, bei der das Cloud-Geschäft zwar zu einem überraschenden Umsatzanstieg beitrug, aber weniger anzog als zuvor. Dies sollte insofern Beachtung finden, als die Konkurrenten von niedrigeren Niveaus kommen als Amazon und laut Analysten eigentlich kräftigeres Aufholpotenzial besitzen müssten.

Zumindest der Marktführer realisiert aber wohl, welchen Stellenwert das Cloud-Geschäft in den Augen des Börsenpublikums einnimmt. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass sich Amazon-CEO Andy Jassy, der AWS mit aufbaute und über Jahre führte, jüngst zum zweiten Mal in Folge in einen Investorencall einwählte und dort die Gemüter zu beschwichtigen suchte – Vorgänger Jeff Bezos blieb solchen Telefonaten üblicherweise fern. Der Fokus auf die Cloud wird auch an Investitionsplänen deutlich, die der Konzern trotz des Kostendrucks und damit einhergehender Sparbemühungen im Tech-Sektor gefasst hat. So kündigte Amazon bereits im Januar an, bis 2040 weitere 35 Mrd. Dollar in den Ausbau von Rechenzentren im US-Bundesstaat Virginia stecken zu wollen. Schon zwischen 2011 und 2020 hatte AWS dort nach eigenen Angaben in der gleichen Größenordnung investiert.

Auch die Konkurrenz darf sich nicht auf den bisherigen Umsatzsteigerungen ausruhen. Zwar liegt der Fokus allerorten auf künstlicher Intelligenz, doch sind im Geschäft mit lernfähigen Algorithmen noch horrende Entwicklungsausgaben nötig. Um die damit einhergehende Kostenbelastung aufzufangen, braucht es gesteigerte Einnahmen aus anderen Bereichen. Entsprechend heftig dürfte es bei einem anhaltenden Wolkenbruch im Hoffnungsmarkt Cloud Computing hereinregnen.