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Trumps Übergriff auf Brasilien

Die Regierung der USA belegt Brasilien mit Zöllen von 50 Prozent. Damit will Trump Bolsonaro helfen – doch erreicht das Gegenteil. Der linke Präsident Lula bekommt Aufwind und Brasilien wendet sich noch mehr China zu.

Trumps Übergriff auf Brasilien

Trumps Übergriff treibt Brasilien in Chinas Arme

Die US-Regierung belegt das südamerikanische Land mit Zöllen von 50 Prozent. Damit will Trump Bolsonaro helfen – doch erreicht das Gegenteil.

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Brasilien muss versuchen, seinen Außenhandel neu aufzustellen. Denn seit einer Woche erheben die USA auf eine Vielzahl brasilianischer Produkte 50% Zoll, das ist der bislang höchste Satz, den Trump verlangt. Auch wenn Washington kurz vor Beginn der Maßnahme knapp 700 Produkte – vom Orangensaft bis zum Embraer-Jet – von der Zoll-Liste gestrichen hat, bleiben immer noch erhebliche Belastungen, die viele Branchen treffen werden.

Wirtschaftlich lassen sich diese Aufschläge nicht begründen. Denn die USA verzeichnen im Handel mit Brasilien seit 2009 Überschüsse und haben in den letzten 15 Jahren 410 Mrd. Dollar mehr eingenommen als sie in Brasilien ausgaben. Darum argumentierte der US-Präsident auch ungeniert politisch, als er seine Zollpläne vor drei Wochen ankündigte. Ihm missfällt, dass der brasilianische Richter Alexandre de Moraes gegen nordamerikanische Internetkonzerne vorgehe und diese dazu auffordere, Nutzerkonten zu sperren, die Falschnachrichten in die Welt setzen. Trump sprach von „Willkür“ und „Zensur“.

Und er beklagte eine „Hexenjagd“ gegen den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro. Dieser ist angeklagt vom Generalstaatsanwalt, weil er Ende 2022 einen letztlich gescheiterten Putsch-Plan entworfen haben soll, der nach der Erkenntnis der Ankläger sogar ein Mordkomplott gegen den siegreichen Kandidaten Luiz Inácio Lula da Silva und dessen Stellvertreter Gerardo Alckmin einschloss. „Dieser Prozess muss aufhören!“, verlangte der US-Präsident ultimativ.

Natürlich musste es Trump bewusst sein, dass demokratische Regierungen keine rechtliche Handhabe besitzen, um in Verfahren der Justiz einzugreifen. Zudem hätte er vorhersehen können, dass eine massive Einmischung in Brasiliens innere Angelegenheiten nicht seinem Verbündeten Bolsonaro nutzen werde, sondern dessen Antipoden Lula, dem Präsidenten und Gründer der linken Arbeiterpartei PT.

Offensive kommt Lula zugute

Bis zu Trumps Drohung hatte es in Lulas Acht-Parteien-Koalition arg geknirscht, darum hatten 60% der Brasilianer Lulas Amtsführung abgelehnt. Aber nachdem sich Lula Trump entgegenstellte, kletterten seine Zustimmungswerte auf 50%. Nun hat Lula im 17-Parteien-Kongress wieder eine stabile Mehrheit. Zudem gewährt ihm der Zollstreit einen Freibrief im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im Oktober 2026. Für alles, was bis dahin schiefläuft, kann der Präsident seinen US-Widerpart und dessen Verbündeten Bolsonaro verantwortlich machen.

Lula hat in den letzten Wochen mehrfach dargelegt, dass es Trump nicht um Handelsfragen gehe. Vielmehr wolle er Einfluss nehmen auf die nächste Präsidentschaftswahl, um Brasiliens immer engere Beziehungen zu seinen Partnern China, Russland und Indien zu unterbrechen und das Land aus dem BRICS-Bündnis in die Einflusssphäre Washingtons zurückzuholen.

Sympathiepunkte durch Finanzhilfen

Ob das gelingen kann, erscheint nach den Vorgängen der letzten Wochen fraglich. In Brasilien kam Trumps Vorgehen auch unter Kritikern des linken Präsidenten schlecht an. Tatsächlich treffen die Zölle auch viele Anhänger Bolsonaros, im Agrarsektor wie im Mittelstand. Zudem eröffnet der US-Vorstoß Lula nun die Möglichkeit, mit Soforthilfen Sympathiepunkte zu sammeln, die sich im Wahlkampf auszahlen könnten. Die Regierung hat einen Notfallplan angekündigt. Details sollen Ende der Woche publik werden, aber es ist schon bekannt, dass die staatliche Banco do Brasil sowie die Entwicklungsbank BNDES Geschädigten mit Krediten aushelfen sollen. Zudem will Finanzminister Fernando Haddad betroffenen Unternehmen Steuern und Exportzölle aussetzen oder zurückerstatten.

Brasiliens Kaffeeproduzenten, die zuletzt 800.000 Säcke in die USA geliefert hatten, werden diese dank der hohen Nachfrage am Weltmarkt bald auch anderswo loswerden, wenn auch nicht zu den bislang erzielten Preisen. Seit Jahresanfang sind die Weltmarktpreise für Kaffee bereits um ein Drittel gefallen. Fleischproduzenten werden es schwerer haben. 16,7% des ausgeführten Rindfleischs ging 2024 in die USA. Nun befürchtet der Branchenverband ABIEC Verluste von 1 Mrd. Dollar.

Lula will Zollkrieg verhindern

„Die USA waren Brasiliens bester Markt“, erklärte kürzlich Jorge Viana, der Präsident der Außenhandelsagentur APEX Brasil. Auch wenn nur 13% aller Ausfuhren in die USA gingen, waren diese wesentlich vielfältiger – und deutlich rentabler – als jene nach China, obwohl dort viel größere Mengen abgesetzt werden. Fast 80% der Exporte in die USA waren verarbeitete Waren, etwa halbfertige Stahlprodukte, chemische Holzpasten, Möbel, Schuhe und die Embraer-Flugzeuge.

Fünf seiner zehn Top-Importe bekam Brasilien aus den USA, vor allem Triebwerks-Komponenten für seinen Flugzeugbau sowie spezielle Erdölprodukte für die Petrochemie. Das erklärt auch, warum Lula bislang seine Drohung nicht umsetzte, Gegenzölle zu erheben. Denn diese könnten nicht nur essentielle Komponenten aus den USA verteuern, sondern einen Zollkrieg anfachen, der Lulas Wiederwahlchancen womöglich doch gefährden könnte.

China steht bereit

Der Direktor der Außenhandelsagentur erklärte, man versuche weiter, die US-Behörden zu Abschlägen zu bewegen, vor allem für Produkte, die nicht in den USA hergestellt werden, etwa Kaffee. Aber Jorge Viana räumt ein, dass dies kein gewöhnlicher Handelskonflikt sei. Darum sucht seine Agentur nun nach Türen im globalen Süden, die er langfristig öffnen könnte. Etwa in Indien, Malaysia und Indonesien.

Über den wirtschaftlichen Schaden von Trumps Zoll-Übergriff gibt es bislang nur Prognosen. Goldman Sachs schätzt, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4% weniger wachsen wird als erwartet. Das würde bedeuten, dass das BIP in 2025 nur um 2% zulegt. Aber Ökonomen der Bundesuniversität von Minas Gerais haben errechnet, dass der Schaden aufgrund „allgemeiner Gleichgewichtseffekte” – wie Verschiebungen von Nachfrage und Handelsströmen – deutlich geringer ausfallen könne. Es könne sogar passieren, dass einige brasilianische Bundesstaaten künftig besser dastünden als bislang. Käme es dazu, hätte China gewiss einen erheblichen Anteil. Die Regierung in Peking hat den Brasilianern schon angeboten, als Käufer vieler für den US-Markt vorgesehenen Produkte einzuspringen.