Unicredit pfeift auf Berlin
COMMERZBANK
Unicredit pfeift
auf Berlin
Björn Godenrath
Andrea Orcel hat Fakten geschaffen. Will und kann die Politik ihn noch stoppen?
Was Unicredit-CEO Andrea Orcel von der Haltung der Bundesregierung zur Commerzbank hält, das demonstrierte er am Montag nachdrücklich. Gegen 12:30 Uhr ging über den Ticker, dass die italienische Großbank über Finanzinstrumente den Zugriff auf weitere 11,5% an dem Frankfurter Institut erworben habe. Und bei den Aufsehern sei beantragt worden, bis auf 29,9% aufzustocken, womit man nur noch einen Schritt von einem Pflichtangebot entfernt wäre.
Wie weit sollte Berlin gehen?
Damit hat Orcel zwar das Momentum wieder auf seine Seite geholt, angesichts der Berliner Präferenz einer eigenständigen Commerzbank aber eindeutig feindliche Seiten aufgezogen. Das kann Berlin sich nicht bieten lassen – und muss nun abwägen, ob es angebracht ist, der italienischen Regierung nahezulegen, den Unicredit-Chef wieder einzufangen. Ansonsten wäre der nächste Schritt, dass sich Orcel nach Freigabe der EZB-Bankenaufsicht direkt an die Commerzbank-Aktionäre wendet, indem er eine unerwünschte Offerte vorlegt.
Zuzutrauen ist ihm das, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie er mit Banco Santander umging, als diese trotz eines üppigen Antrittsgeldes nicht alle seine Forderungen erfüllen wollte. Orcel klagte überwiegend erfolgreich und darf seither als das personifizierte kalte Herz des Kapitalismus gelten – oder wahlweise als der Gier-Banker schlechthin.
Länderrisiko Italien
Immerhin weiß man, mit wem man es zu tun hat. Die sachlichen Argumente Orcels für eine Übernahme sind aus Sicht des deutschen Finanzplatzes nicht sonderlich überzeugend, baut die M&A-Logik doch vor allem auf Kostensynergien auf. Und es gäbe eher weniger als mehr KMU-Kredite bei einer kombinierten Commerzbank/HVB – wobei allein die Frankfurter für 30% der deutschen Exportfinanzierungen stehen. Das unterstreicht die Systemrelevanz der Commerzbank. Und das möchte man aus gutem Grund keiner Bank in die Hand geben, die ein gewisses Länderrisiko in sich trägt: Das Rating Italiens befindet sich einen Notch über Junk – und wenn es bei der Unicredit Probleme gäbe, dann müssten Deutschlands Steuerzahler dort zu einem Bail-out beitragen.
Finanzplatz ist aufgewacht
Das sind die Realitäten für Krisenszenarien, in denen deutlich wird, was auf dem Spiel steht. Immerhin zeigen die ablehnenden Reaktionen, dass man am Finanzplatz Frankfurt und in Berlin mittlerweile aufgewacht ist. Wenn es dumm läuft, dann ist das aber zu spät gewesen. Denn Orcel will nun eine Entscheidung erzwingen – und formal kann ihn niemand daran hindern, sich direkt an die Aktionäre zu wenden. Viel Zeit bleibt nicht: Bis zur EZB-Freigabe kann es so 30 bis 60 Tage dauern.