Im Blickfeld:Cash-Vehikel

US-Neuregulierung von Geldmarktfonds soll Finanzmarktstabilität stärken

Der Boom von Geldmarktfonds weckt bei Beobachtern düstere Erinnerungen an die Überhitzung vor der Finanzkrise 2008. Die US-Börsenaufsicht SEC will das Segment nun durch eine umfangreiche Neuregulierung stabilisieren – Branchenvertreter kritisieren die Maßnahmen aber als kontraproduktiv.

US-Neuregulierung von Geldmarktfonds soll Finanzmarktstabilität stärken

Folgenreiche Neuregulierung

Die US-Aufsicht SEC will die Finanzstabilität durch neue Regeln für Geldmarktfonds stärken. Die Branche kritisiert die Maßnahmen aber als kontraproduktiv.

Von Alex Wehnert, New York

Der Boom von Geldmarktfonds im laufenden Jahr weckt Sorgen um die Finanzmarktstabilität – diese versucht die US-Börsenaufsicht SEC nun durch eine umfangreiche Neuregulierung zu lindern. Die dritte grundlegende Überarbeitung des Rahmenwerks innerhalb von 15 Jahren soll verhindern, dass die Cash-Vehikel in turbulenten Marktphasen so stark unter Druck geraten, dass der Stress auf andere Assetklassen überzugreifen droht und staatliche Bail-outs notwendig werden.

Denn die Marktentwicklung im laufenden Jahr ruft bei Vertretern der Regulierungsbehörden düstere Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 hervor, als der nahezu 63 Mrd. Dollar schwere Reserve Primary Fund seine Bindung an den Greenback verlor. Damals brach eine Investorenpanik aus, der das Finanzministerium mit staatlichen Garantien und die Federal Reserve mit der Einführung eines Notfallkreditprogramms beizukommen suchten.

Bereits zu Beginn der Coronakrise erlebten die Marktteilnehmer ein Déjà-vu: Wieder flüchteten Investoren infolge eines drastisch eingetrübten Konjunkturausblicks aus Geldmarkt-Vehikeln – insbesondere Prime Funds, die in variabel verzinsliche Kredite und Commercial Paper von Unternehmen und staatsnahen Emittenten investieren, verloren binnen weniger Tage mehr als ein Zehntel ihrer Assets. Wieder musste die Fed einschreiten.

Aufsicht in der Kritik

Die SEC als Regulator der Investmentfonds-Branche musste sich daraufhin heftige Kritik gefallen lassen. Der Tenor: Die Aufsicht sei mit ihren bisherigen Maßnahmen daran gescheitert, das Segment zu stabilisieren. Bereits nach den Verwerfungen von 2008 hatte die SEC Geldmarktfonds zu regelmäßigeren Stresstests und einer transparenteren Informationspolitik bezüglich ihrer Positionen verpflichtet, Mindestquoten für liquide Assets eingeführt und die zugelassene Menge an Wertpapieren mit geringer Qualität reduziert, die solche Vehikel halten dürfen.

Im Jahr 2014 setzte die Aufsicht zum nächsten Aufschlag an, neue Regeln führte sie 2016 ein: Seither dürfen Geldmarktfonds Auszahlungsgebühren erheben oder Abhebungen aussetzen, wenn die Liquiditätsquoten unter bestimmte Schwellen fallen. Doch statt Mittelabflüsse zu verhindern, trägt die Aussicht auf neue Gebühren oder eine Auszahlungssperre laut Branchenvertretern eher dazu bei, dass sich Investoren bei ersten Zeichen von Marktstress verabschieden, um nicht auf höheren Kosten oder geringerwertigen Fondsanteilen sitzenzubleiben.

Dies führt laut Analysten das Prinzip von Geldmarktfonds ad absurdum. Denn eigentlich sollen es die Vehikel institutionellen Investoren erlauben, zwischen verschiedenen Investments mit vergleichsweise geringem Risiko Mittel zu parken, oder es Unternehmen ermöglichen, ihren Cashflow zu managen. Doch auch bei Retail-Anlegern sind Investitionen in Geldmarktfonds in den Vereinigten Staaten verbreiteter als in Europa.

Summierten sich die Assets von US-Geldmarktfonds gemäß Daten der Fed Anfang der 1980er Jahre auf rund 62 Mrd. Dollar, erreichten sie 2008 mit über 3,8 Bill. Dollar einen vorläufigen Höhepunkt. Nach dem durch die Finanzkrise bedingten Nettomittelabfluss von 1 Bill. Dollar binnen weniger als anderthalb Jahren stabilisierten sich die Geldmarktfonds wieder, bevor es ab 2018 zu den nächsten großen Anstiegen kam. Laut der US-Notenbank beliefen sich die Assets der Cash-Vehikel Ende des ersten Quartals 2023 auf nahezu 5,7 Bill. Dollar. In der vergangenen Woche lagen sie laut dem Branchenverband Investment Company Institute noch bei über 5,5 Bill. Dollar.

Der noch verstärkte Schub im laufenden Jahr ist zugleich Mitauslöser und Folge der Krise unter US-Regionalbanken, die zwischen März und Mai in den Zusammenbrüchen der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank ihre bisher spektakulärsten Ausprägungen fand. Denn die restriktive Geldpolitik seit Frühjahr 2022 hat die Renditen kurzlaufender Staatsanleihen massiv angeschoben: Die Verzinsung des dreimonatigen Schatzwechsels schwankte Anfang März des vergangenen Jahres zwischen 0,3 und 0,4%, zuletzt lag sie bei über 5,4%.

Damit sind auch die Renditen von Geldmarktfonds gestiegen, die Vehikel wurden gegenüber Sparkonten in der Folge attraktiver. Laut dem Datendienstleister Crane werfen US-Cash-Vehikel derzeit eine durchschnittliche Verzinsung von mehr als 5% ab. Auf ihre Einlagen bei traditionellen Banken erhalten Sparer im Mittel dagegen lediglich 0,42%. Zugleich verstärkte die Krise im Finanzsektor den Abzug von Bankeinlagen und die Umschichtung in Geldmarktfonds, da Sparer ihr Geld in Sicherheit zu bringen suchten.

Gerade diese starken Zuflüsse rufen allerdings Befürchtungen vor einer Überhitzung im Segment ähnlich der Entwicklung vor dem Crash von 2008 wach. In diesem Zusammenhang kritisieren Branchenvertreter, dass die Neuregulierung, die binnen 18 Monaten in Kraft treten soll, den Fonds in schwierigen Marktphasen Flexibilität nimmt und für steigende Kosten sorgt.

Konkret schreibt die Aufsicht den Geldmarktfonds nun vor, dass sie mindestens 25% ihrer verwalteten Mittel in Assets halten müssen, die sie binnen eines Tages liquidieren können – bisher war eine Quote von 10% gültig. Sogar die Hälfte soll auf Vermögenswerte entfallen, die binnen einer Woche fällig werden – der alte Wert lag bei 30%. Manager institutioneller Prime Funds sollen künftig zudem bereits Gebühren erheben müssen, wenn die täglichen Auszahlungsanfragen 5% des Fondsvolumens überschreiten.

Die Behörde räumt ein, dass Prime-Geldmarktfonds Investoren aufgrund der Kosten durch die Neuregulierung möglicherweise geringere Renditen bieten könnten oder die Gesamtkostenquoten erhöhen müssten. Damit verbindet die SEC allerdings die Hoffnung, dass aus diesen Vehikeln abgezogene Mittel verstärkt in Fonds fließen, die hauptsächlich in Staatsanleihen investieren – und somit den durch den massiven Refinanzierungsbedarf der USA gebeutelten Treasury-Markt stützen dürften.

Auch verstärkte Zuflüsse in durch die Einlagensicherung abgedeckte Bankkonten rechnet sich die SEC aus. Doch auch innerhalb der Aufsicht melden sich kritische Stimmen. Die republikanischen Vertreter in der Kommission warnen davor, dass die Neuregulierung zu stärkeren Schwankungen in den Mittelflüssen am Geldmarkt führen dürften – und damit eine erhöhte Volatilität am gesamten Finanzmarkt nach sich zu ziehen drohen.

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