Notiert inWashington

US-Verbraucher zwischen den Jahren im Rückgabe-Rausch

Fast 17% aller Umsätze, die der US-Einzelhandel tätigt, gehen durch Warenrücksendungen verloren. Viele der Branchengiganten wollen ihren Kunden die Rückgaben, die gerade nach Weihnachten boomen, einerseits leichter machen. Dafür fordern sie nun aber Gebühren, um die Verluste zu schmälern.

US-Verbraucher zwischen den Jahren im Rückgabe-Rausch

Notiert in Washington

Verbraucher im Rückgabe-Rausch

Von Peter De Thier

In den USA ist es ein jährlich wiederkehrendes Phänomen. Obwohl man jedem Freund, Nachbarn, Briefträger und Kassierer im Supermarkt "Happy Holidays", also frohe Festtage wünscht, stellt die Anwendung des Plurals eine Verzerrung dar. Denn "Festtage", etwa Heiligabend, einen ersten und zweiten Weihnachtstag und dann eine ruhige Phase zwischen den Jahren, in denen man Zeit mit der Familie verbringt und die Seele baumeln lässt, gibt es nicht. Der Heilige Abend war schon immer und bleibt ein Werktag, an dem viele Läden und Geschäfte bis Mitternacht geöffnet bleiben. Am ersten Weihnachtstag macht dann und mehr oder weniger die gesamte Wirtschaft dicht. 

Schon am 26. Dezember gilt aber wieder die Devise "business as usual", und im boomenden Einzelhandel klingeln sogar die Kassen. Zum einen deswegen, weil immer mehr Kunden die "Weihnachts-Schlussverkäufe" abwarten. Denn ab dem zweiten Weihnachtstag sind die Preise für alle denkbaren Geschenke, von Bekleidung über Heimelektronik, Bücher, Spielzeuge und Kosmetika bis hin zu neuen Autos deutlich heruntergesetzt. Millionen von Amerikanern warten die "After Christmas Sales" ab und strömen in die zahlreichen Shopping Malls, um Geld zu sparen und sich bereits mit Geschenken für das nächste Fest einzudecken. 

Eine mindestens ebenso große Rolle spielt zwischen den Jahren aber das Geschäft mit der Rückgabe ungewollter Geschenke, etwa des kitschigen, rot-grünen Pullovers mit Weihnachtsmotiv, der Sportschuhe in der falschen Größe oder der Weingläser für den Onkel, der keinen Alkohol trinkt. Nach Angaben der National Retail Federation (NRF), dem Dachverband der US-Einzelhandelsunternehmen, brachten Verbraucher im vergangenen Jahr Waren im Wert von 816 Mrd. Dollar in Geschäfte oder schickten sie an Versandhäuser zurück, bei denen Online-Bestellungen getätigt wurden. 

2023 könnten die Umsätze, die dadurch dem Einzelhandel entgehen, sogar 1 Bill. Dollar übersteigen, glauben Experten. Unterdessen versuchen die betroffenen Unternehmen nicht, die Konditionen zu verschärfen oder die Waren-Rücksendungen zu erschweren, im Gegenteil. So erlaubt es das weltgrößte Online-Versandunternehmen Amazon seinen Kunden, in tausenden von Läden bestellte Waren abzuliefern, selbst ohne Schachtel und Originalverpackung, und zwar gegen sofortige Rückerstattung des vollen Kaufpreises. Noch leichter ist die Prozedur bei der Warenhauskette Target. Wer vorher die Rückgabe anmeldet, braucht bei einer Filiale lediglich vorzufahren, muss das Auto nicht einmal verlassen und wird von einem Mitarbeiter begrüßt, der dem Kunden das ungewollte Geschenk auf der Stelle abnimmt. 

Auch sind in den letzten Jahren Unternehmen wie Pilze aus dem Boden geschossen, deren Spezialität das große Geschäft mit Rücksendungen ist. Wie David Robie, Mitbegründer und CEO der Firma Happy Returns, erklärt, "ist die Rückgabe von ungewollten Waren der mit Abstand lästigste Teil des Einkaufens". Sein Unternehmen nimmt Kunden an mehr als 800 "Drop-off"-Stellen Produkte ab, bündelt diese nach den jeweiligen Einzelhändlern und schickt sie en masse an die Verkäufer zurück.   

Obwohl es auf den ersten Blick den Anschein hat, als wolle die Branche ihre treue Kundschaft mit Großzügigkeit belohnen, ist die christliche Nächstenliebe mit Haken versehen. Erstmals fordern große Warenhausketten ebenso wie Online-Versandunternehmen nämlich Retour-Gebühren. So verlangt das Bekleidungsunternehmen H&M 5 Dollar für jede Warenrücksendung, während die Lifestyle-Marke Abercrombie & Fitch 7 Dollar und die Warenhauskette Macy’s sogar 10 Dollar in Rechnung stellt. Nachvollziehbar ist, dass der Einzelhandel hofft, damit zumindest einen Teil der entgangenen Umsätze auszugleichen. In Kauf nehmen müssen die Unternehmen im Gegenzug aber, dass sie Kunden, die eine kostenlose Rückgabe gewohnt sind, zumindest für kurze Zeit die Weihnachtslaune verderben.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.