Im BlickfeldFinanzaufsicht

Verbraucherzentralen wollen die BaFin stärken

Die Verbraucherzentralen fordern neue Kompetenzen der BaFin im kollektiven Verbraucherschutz. Doch die Finanzaufsicht zeigt sich skeptisch.

Verbraucherzentralen wollen die BaFin stärken

Finanzaufsicht

Ein bisschen mehr Verbraucherschutz geht noch, oder?

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die Verbraucherzentralen fordern neue Kompetenzen der BaFin im kollektiven Verbraucherschutz. Doch die Finanzaufsicht zeigt sich skeptisch.

Seit 21 Monaten liegt der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien auf dem Tisch, doch in Sachen Verbraucherschutz hat sich wenig getan – eine Reform der BaFin in diesem Aufgabenbereich steht jedenfalls aus. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert eine Reform und will politischen Druck aufbauen.

„Eine Stärkung des kollektiven Verbraucherschutzes lässt sich aus dem Koalitionsvertrag ableiten. Wir haben hierzu konkrete Vorschläge eingebracht, die auch eine Stärkung des Verbraucherbeirates umfassen. Wir wünschen, dass noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf vorgelegt wird“, sagt Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Verband.

Die BaFin soll laut Koalitionsvertrag einen gestärkten Verbraucherbeirat erhalten, eine Vergleichswebsite erstellen und Regulierungslücken im Grauen Kapitalmarkt identifizieren. Aus Sicht der Verbraucherzentralen fehlen der Aufsicht darüber hinaus belastbare Zuständigkeiten, um ihrer Aufgabe des kollektiven Verbraucherschutzes besser gerecht zu werden. Die BaFin sollte Verbraucher vor Rechtsverstößen durch Anbieter ausreichend schützen.

Dass die Verbraucherschützer mehr Verbraucherschutz von der BaFin fordern, ist bemerkenswert. Erst seit 2015 ist dies eine Aufgabe der Aufsicht. Bisher war Verbraucherschutz vor allem eine zivilrechtliche Angelegenheit zwischen Anbietern und Kunden, die von Verbraucherschützern und Anwälten ausgefochten wird.

BaFin verteidigt ihr Vorgehen

Um den Ruf nach mehr Verbraucherschutz durch die BaFin zu untermauern, legte der VZBV im Juni ein Gutachten vor, das Vorschläge für eine Reform macht.

Die BaFin sieht eher wenig Handlungsbedarf für eine grundlegende Reform und unterstreicht die Leistungen des Hauses in dem Bereich. Welche wichtige Rolle der Verbraucherschutz für die BaFin schon heute spiele, zeige sich an der Vielzahl der Aktivitäten, von der Allgemeinverfügung zum Zinsstreit rund um uralte Prämiensparverträge über die Aufsichtsmitteilung zum AGB-Änderungsmechanismus bis zur Verbraucherinformation Immobilien-Teilverkauf – um nur eine Auswahl zu nennen.

Mit 150 Mitarbeitern in der Abteilung Verbraucherschutz sorge die BaFin dafür, „dass Verbraucher in ihrer Gesamtheit geschützt werden, wenn sie am Finanzmarkt tätig werden“, so Ulf Linke, Referatsleiter für Verbraucherschutz, auf der Konferenz des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) Ende Juni in Hamburg. Das Institut steht Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen nahe.

Der BaFin-Mann sieht die zentrale Aufgabe in der Überwachung der gesetzlichen Verhaltens-, Informations- und Aufklärungspflichten. Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, am Finanzmarkt selbstbestimmt zu handeln. Im Einzelfall wird die BaFin nicht tätig, erst wenn eine Vielzahl von Verbrauchern betroffen sei, können aufsichtliche Instrumente zum Einsatz kommen.

Experten uneins über Rolle der Aufsicht

Seit der Verankerung des kollektiven Verbraucherschutzes als Aufsichtsziel der BaFin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man in Deutschland eine starke, verbraucherschutzbezogene Finanzaufsicht braucht. „Mit der zusätzlich geschaffenen Möglichkeit zur Produktintervention können die Vermarktung, der Vertrieb und Verkauf von bestimmten Finanzprodukten bei erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz beschränkt oder verboten werden“, stellt Erich Paetz, Referatsleiter Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen im Verbraucherschutzministerium (BMUV), in Hamburg fest.

„Damit steht der Verbraucherschutz neben den weiteren gesetzlichen Aufgaben in der Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht. Als integrierte Behörde profitiert die BaFin von der Bündelung von Solvenzaufsicht und Verbraucherschutz unter einem Dach“, so BaFin-Verbraucherschützer Linke.

Diese Zufriedenheit können Verbraucherschützer nicht teilen. „Insbesondere in unsicheren Zeiten treten Interessenkonflikte zwischen Solvenz und Verbraucherschutz zutage: Da der Verbraucherschutz weniger Systemrisiken beinhaltet, wird er gegenüber den Zielen der Finanzstabilität und Bankensolvenz zurückgestellt“, so Doris Neuberger von der Universität Rostock. Und VZBV-Finanzexpertin Mohn sagt: „Das Verhältnis zwischen VZBV und BaFin ist professionell und gut. Wir wünschen uns, dass die Zusammenarbeit intensiviert wird und die Aufsicht uns künftig auch Informationen zur Klärung von offenen Rechtsfragen vor Gericht zur Verfügung stellen darf.“

Begrenzte Ressourcen

Es geht darum, dass Verbraucherzentralen bei Missständen am Finanzmarkt an ihre Grenzen stoßen, die Rechte von Verbrauchern durchzusetzen. Da sollte die BaFin eingreifen. „So sollte sie unter anderem gegenüber den Anbietern beispielsweise Rückzahlungen unrechtmäßiger Gebühren an Verbraucher anordnen können“, meint Mohn. Rechtsprofessor Peter Rott stellt fest, dass Verbraucherorganisationen den Aufwand bei Finanzdienstleistungen nicht zuletzt aufgrund begrenzter Ressourcen nicht allein bewältigen könnten. „Im Verhältnis der BaFin zu den Verbraucherorganisationen, insbesondere zum VZBV, wären ein verbesserter und institutionalisierter Informationsaustausch und eine Koordination bei der Rechtsdurchsetzung wünschenswert, um einerseits doppelten Aufwand und andererseits negative Kompetenzkonflikte zu vermeiden“, so der Jurist.

Im seinem Gutachten schlägt Rott eine engere Verzahnung der BaFin mit der Rechtsdurchsetzung der Verbraucherzentralen und des VZBV vor. „Die BaFin braucht Klarheit, wann sie eingreifen darf, um etwa das Urteil eines Zivilgerichts für allgemeingültig zu erklären.“

Eine solche Neuordnung der Kompetenzen sieht man bei der BaFin kritisch. Diese grundsätzlichen Fragen zum Zusammenspiel von Zivil- und Aufsichtsrecht einschließlich Prozessrecht sollten daher aus Sicht der BaFin sehr sorgsam bedacht und analysiert werden, heißt es auf Anfrage. „Eine Vermischung von Aufsichts- und Zivilrecht sollte grundsätzlich vermieden werden“, so die BaFin.

BaFin-Vergleichsseite

Eine Reform der BaFin in Sachen Verbraucherschutz dürfte in kleinen Schritten vorangehen. Dazu gehört der Aufbau der ersten behördlichen Vergleichswebsite, womit die Aufsicht in Konkurrenz zu kommerziellen Portalen oder Angeboten von Verbrauchermedien tritt. Ziel der BaFin-Seite ist es, unabhängig Daten bereitzustellen und eine objektive Grundlage bei der Wahl eines Girokontos zu geben. „Der erstmalige Betrieb einer solchen Vergleichswebsite durch eine Behörde ist keineswegs banal“, so Referatsleiter Paetz.

Die BaFin verweist in Sachen Vergleichswebseite aber auf das laufende gesetzliche Verfahren und die Verordnungen, die konkrete Vorgaben für die Vergleichswebsite machen werden. „Wir gehen daher davon aus, dass Verbraucher in diesem Jahr noch nicht auf die BaFin-Vergleichswebseite zugreifen, aber weiterhin die Vergleichsmöglichkeit bei der Stiftung Warentest nutzen können“, heißt es auf Anfrage. Von ersten Schritten für eine BaFin-Kontenseite bis zu den Forderungen der Verbraucherschützer ist es aber noch ein weiter Weg.

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