LEITARTIKEL

Vergleichsweise schwierig

Pi mal Daumen 10 Mrd. Dollar wird Bayer der Vergleich zur Beilegung von zigtausend Glyphosatklagen kosten. Das wäre eine der höchsten Summen, die ein einzelnes Unternehmen zum Abräumen von Massenklagen in den USA auf den Tisch legen muss. Dennoch...

Vergleichsweise schwierig

Pi mal Daumen 10 Mrd. Dollar wird Bayer der Vergleich zur Beilegung von zigtausend Glyphosatklagen kosten. Das wäre eine der höchsten Summen, die ein einzelnes Unternehmen zum Abräumen von Massenklagen in den USA auf den Tisch legen muss. Dennoch schienen die Investoren, als die Vergleichssumme erstmals in der Öffentlichkeit auftauchte, geradezu erleichtert. Aus der verführerischen Kursreaktion – der Dax-Wert notiert inzwischen wieder mehr als 40 % über dem im vorigen Juni mit gut 52 Euro markierten mehrjährigen Tief – folgt jedoch keineswegs die Erkenntnis, dass die Bayer-Welt wieder in Ordnung ist. Die Kursreaktion ist lediglich ein Zeichen dafür, dass der Worst Case, den der Kapitalmarkt zuvor in Rechnung gestellt hatte, augenscheinlich nicht eintritt.Für Bayer kommt der milliardenschwere Vergleich, zu dessen tatsächlicher Höhe das letzte Wort ja noch nicht gesprochen ist, einem Desaster gleich. Um die Dimension besser einordnen zu können, muss man sich nur vor Augen führen, dass die Nettoerlöse aus den im Vorjahr vereinbarten Verkäufen von zwei OTC-Marken, der Beteiligung am Chemieparkbetreiber Currenta und des Geschäfts mit Tiermedizin mit Ach und Krach ausreichen, um die Glyphosatklagen aus der Welt zu schaffen. Dabei war das Geld aus den Desinvestitionen eigentlich dafür vorgesehen, die mit der Akquisition von Monsanto aufgetürmte Verschuldung wieder auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Immerhin kann es sich Bayer leisten, eine derartige Vergleichssumme zu zahlen, ohne drastische Ratingkonsequenzen oder Schlimmeres fürchten zu müssen. Der strategische Handlungsspielraum wird aber in jedem Fall kleiner.Anschaulich wird die Dimension auch, wenn man bedenkt, dass sich Bayer den Erwerb des Geschäfts mit rezeptfreien Medikamenten (OTC) von Merck & Co. – im übrigen auch kein Ruhmesblatt der M&A-Geschichte – 2014 gut 14 Mrd. Dollar kosten ließ. Die im Raum stehenden 10 Mrd. Dollar für das Settlement sind dagegen nur der Aufpreis auf den ohnehin größten Erwerb der Firmengeschichte. Inklusive Schulden hatte Bayer 66 Mrd. Dollar berappt, allein für das Eigenkapital wurden letztlich 57 Mrd. Dollar fällig. Gut in Erinnerung ist noch der Aufschrei in Leverkusen, als die im Aufsichtsrat als oberste Schmerzgrenze geltenden 128 Dollar je Aktie ihren Weg in eine Zeitung fanden. Dabei handelte es sich lediglich um einen Aufschlag von 50 Cent auf die bis dato gültige Offerte. Die diskutierte Vergleichssumme entspricht dagegen einem Zuschlag von mehr als 20 Dollar je Monsanto-Aktie. Kein Wunder also, wenn man sich in Leverkusen Gedanken macht, wie der diskutierte Vergleich wohl bei den Eigentümern ankommt. Denn einerseits beseitigt ein Settlement die Unsicherheit, die seit dem ersten Urteil im Sommer 2018 wie eine dicke Bleischicht auf dem Kurs liegt, andererseits sind 10 Mrd. Dollar alles andere als Peanuts. Jetzt rächt sich, dass die Verwaltung das berechtigte Anliegen der Aktionäre auf Mitsprache ignorierte. Dabei galt es keineswegs als unwahrscheinlich, dass die Anteilseigner der Mega-Transaktion zugestimmt hätten, wären sie denn gefragt worden. An diesem Punkt aber hatten Vorstand und Aufsichtsrat lieber auf stur geschaltet und auf die mit der Aktionärsbefragung verbundene Gefährdung der Transaktion und unnötige Haftungsrisiken für die Organe verwiesen. Nun drohen Aktionärsklagen im Nachgang zu einem wie auch immer gearteten Vergleich. Für Vorstandschef Werner Baumann ist jedoch viel entscheidender, dass die Aktionäre ihm nicht erneut die Gefolgschaft in Form der Entlastung verweigern. Denn das für ein Dax-Unternehmen bislang einzigartige Misstrauensvotum, das der Bayer-Vorstand in der vorigen Hauptversammlung kassierte, wird bei einer Wiederholung nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben können. Das ist auch dem Aufsichtsrat klar. Von daher kann man den Kontrolleuren nur raten, diesmal von Anbeginn an auf die Einzelentlastung der Vorstandsmitglieder zu setzen, damit ein eventuell erforderlicher Nachfolger an der Konzernspitze wenigstens aus den eigenen Reihen erkoren werden kann. Zumal Bayer auf der Habenseite auch einiges vorweisen kann: So musste die Prognose im abgelaufenen Turnus allen Unkenrufen zum Trotz nicht angepasst werden, die Integration von Monsanto läuft allem Anschein nach besser als geplant und last but not least hat der Vorstand eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg gebracht. Auch damit lässt sich bei Aktionären punkten.——Von Annette BeckerPi mal Daumen 10 Mrd. Dollar wird Bayer das Abräumen der Glyphosatklagen kosten. In Frage steht aber, wie der Vergleich bei den Aktionären ankommt. ——