LEITARTIKEL

Verzögerung im Betriebsablauf

Wer ab und an mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, der ist mit den "Verzögerungen im Betriebsablauf" bestens vertraut. Sie werden gerne als Grund für die Verspätung eines Zuges angegeben. Und Verspätungen kommen bei der Bahn bekanntlich häufiger...

Verzögerung im Betriebsablauf

Wer ab und an mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, der ist mit den “Verzögerungen im Betriebsablauf” bestens vertraut. Sie werden gerne als Grund für die Verspätung eines Zuges angegeben. Und Verspätungen kommen bei der Bahn bekanntlich häufiger vor. Im September war im Fernverkehr jeder vierte Zug mindestens fünf Minuten verspätet. Was hinter den Verzögerungen im Betriebsablauf steckt, bleibt nach der Durchsage im Technokratendeutsch der Bahn allerdings oft verborgen. Meistens geht es um kleinere Störungen am Zug oder an Signalanlagen. Manchmal bedeutet es, dass Gleisabschnitte befahren werden, auf denen Züge wegen der insgesamt maroden Infrastruktur langsamer fahren müssen. Der Investitionsrückstand bei der Bahn wird von Experten auf mehr als 50 Mrd. Euro beziffert. Der Zeitverlust, der etwa wegen hohen Fahrgastaufkommens beim Ein- und Aussteigen entstehen kann, fällt ebenso unter die Verzögerungen im Betriebsablauf der Bahn wie Verspätungen aufgrund von Zwangsbremsungen, zum Beispiel, weil sich Personen in den Gleisanlagen aufhalten.Verzögerungen gibt es bei der Bahn derzeit auch beim Betriebsverkauf. Die Trennung von der milliardenschweren Nahverkehrstochter Arriva, die in diesem Frühjahr mit Unterstützung von Deutscher Bank und Citi als federführenden Beratern des Verkaufsprozesses angeschoben wurde und längst über die Bühne sein sollte, ist mittlerweile wieder gestoppt. Anders als bei den Verspätungen ihrer Züge scheut die Deutsche Bahn nicht davor zurück, einen Schuldigen zu benennen. In der Kritik steht jedenfalls vor allem Finanzvorstand Alexander Doll, der von Aufsichtsratschef Michael Odenwald erst vor wenigen Tagen aufgefordert wurde, freiwillig seinen Hut zu nehmen. Der Chefkontrolleur soll damit dem Wunsch von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) entsprochen haben, der Doll in der vergangenen Woche ins Ministerium einbestellt hat. Aber auch mit Bahnchef Lutz liegt der Finanzvorstand wegen Arriva über Kreuz. Doll, der viele Jahre als Investmentbanker tätig war, bevor er im vergangenen Jahr zunächst die Verantwortung für die Güterbahn DB Cargo übernahm und Anfang 2019 auch das Finanzressort unter seine Fittiche nahm, habe den Aufsichtsrat und den Eigentümer Bund zu spät und unzureichend über Risiken bei Arriva aufgeklärt, lautet der Vorwurf. So ist etwa von Pensionsverpflichtungen die Rede, die erst spät im Verkaufsprozess bekannt geworden sein sollen. Doll wehrt sich gegen die Vorwürfe und konnte sich im Aufsichtsrat bislang vor allem auf Unterstützung aus dem Lager der Arbeitnehmervertreter verlassen. Bei einer Sondersitzung des Aufsichtsrates wird die Personalie in wenigen Tagen erneut auf der Tagesordnung stehen.Im Vorstand der Bahn drohen jetzt Verzögerungen für den einen oder anderen Karriereverlauf. Kann Doll den Aufsichtsrat bis zur nächsten Sitzung überzeugen, dass er sich beim gescheiterten Verkauf von Arriva keine Vorwürfe machen muss, könnte auch Bahnchef Lutz unter zusätzlichen Druck geraten. Er war vor seiner Berufung an die Spitze des Staatskonzerns unter anderem für Arriva zuständig, weshalb die Kritik an Altlasten der Tochter auf den eigenen Füßen landen könnte. Das gilt erst recht, wenn zuträfe, worüber in den vergangenen Tagen spekuliert wurde: Dass der Angriff auf Doll seinen Ursprung nicht im verkorksten Arriva-Deal, sondern in der Berufung der langjährigen Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, in den Vorstand der Bahn hat. Lutz gilt wie Infrastrukturchef Ronald Pofalla nicht als Fan dieser Personalie, die in der vergangenen Woche vom Aufsichtsrat bestätigt wurde. Nikutta übernimmt zum 1. Januar 2020 die Verantwortung für die marode Güterverkehrssparte DB Cargo von Doll. Um das zu verhindern, soll Lutz den Finanzchef gedrängt haben, sich selbst auf das Ressort Güterverkehr zu konzentrieren. Die Rücktrittsaufforderung könnte ein weiterer Versuch gewesen sein, ein Tandem mit Doll und Nikutta zu verhindern.Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der sich wegen der Maut in der Defensive befindet, scheint mit der Geduld ohnehin am Ende zu sein. Von den Verspätungen der Bahn hat er mittlerweile so die Nase voll, dass er Lutz aufgefordert hat, bis Mitte November ein Konzept vorzustellen, wie der Staatskonzern die Misere endlich in den Griff bekommen will. Die Aufgaben für die Bahn sind auch deshalb gewaltig, weil sie in den Plänen für die Klimaziele im Verkehrssektor im Zentrum steht. Weitere Verzögerungen im Betriebsablauf des Vorstands kann sich der Konzern nicht leisten.——Von Stefan ParaviciniVerzögerungen im Betriebsablauf kennt man von der Deutschen Bahn. Jetzt kommen Verzögerungen im Verkauf der Tochter Arriva hinzu.——