KommentarWettbewerbsrecht

Viel Lärm um wenig

Die lautstarke Kritik an der Kartellrechtsnovelle ist unangemessen und bisweilen absurd.

Viel Lärm um wenig

Wettbewerbsrecht

Viel Lärm
um wenig

Von Annette Becker

Die Kartellrechtsnovelle ist kein weiteres Risiko für den Standort Deutschland.

Steht unsere marktwirtschaftliche Ordnung auf dem Spiel? Sind wir auf dem besten Weg in die Planwirtschaft, in der eine Behörde Märkte nach ihrem Gusto gestalten und Preise willkürlich festlegen kann? Diesen Eindruck könnte man beinahe gewinnen, wenn man Kritikern der 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Ende voriger Woche im Bundestag verabschiedet wurde, Gehör schenkt. Als „fatales Signal für den deutschen Wirtschaftsstandort“ brandmarken die beiden großen Lobbyverbände aus Industrie (BDI) und Handel (HDE) das Gesetz. Das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt, ein Zusammenschluss von 27 Branchenverbänden, geißelt die Gesetzesnovelle gar als „Einfallstor für behördliche Willkür“.

Tatsächlich ist das Getöse eher als viel Lärm um wenig zu klassifizieren. Der angebliche Paradigmenwechsel, der mit der Gesetzesnovelle einhergehen soll, ist bestenfalls dem Wortlaut nach zu erkennen. Natürlich feierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sein Gesetz als „größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard“, doch erst die Praxis wird zeigen, wie scharf die Zähne der mit neuen Befugnissen ausgestatteten Wettbewerbsbehörde tatsächlich sind. Deren Chef, Andreas Mundt, jedenfalls dämpft entsprechende Erwartungen bereits – und zwar nicht nur, weil die personellen Ressourcen in seiner Behörde mit der Novelle nicht aufgestockt werden.

Vielmehr handelt es sich bei dem Gesetz, das es in ähnlicher Form in Großbritannien schon längst gibt, um den Versuch, in Märkten mit verkrusteten Strukturen wieder Wettbewerb herzustellen. Das ist ordnungspolitisch wünschenswert, denn nur Wettbewerb zwingt zu Innovation und verhindert Preisentwicklungen zulasten der Verbraucher. Ein weiteres Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist die Kartellrechtsnovelle schon gar nicht. Geradezu absurd mutet die Vorstellung an, die Bonner Behörde werde künftig beispielsweise bei explodierenden Spritpreisen ihr Schwert zücken. Aus gutem Grund sind jedweden Markteingriffen hohe Hürden vorgeschaltet, Klagerechte inklusive. Es ist also keineswegs so, dass das Kartellamt zur „Preissetzungsbehörde“ mutiert. Das Verfahren ist aus gutem Grund schwerfällig, damit es Märkten mit erkennbaren Störungen vorbehalten bleibt.

Zur unbequemen Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Politik in der Vergangenheit Zusammenschlüsse qua Ministererlaubnis gegen Empfehlungen von Kartellamt und Monopolkommission gern durchwinkte und anschließend erwartete, dass die Wettbewerbshüter die unschönen Folgen beseitigen.

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