KommentarBoom bei Kleinkrediten

Vorsicht vor dem Schneeballeffekt

Mehr Verbraucherschutz bei „Buy now, pay later“ und anderen Kleinkrediten: Dafür kann nur die Bundesregierung sorgen.

Vorsicht vor dem Schneeballeffekt

Verbraucherkredite

Vorsicht vor dem Schneeballeffekt

Von Stefan Reccius

Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Binnen zwei Jahren hat sich die Zahl der Kleinkredite an Verbraucher in Deutschland nahezu verdreifacht. Im vorigen Jahr schlossen sie nach Angaben der Kreditauskunftei Schufa 3,83 Millionen Kredite unter 1.000 Euro ab, 2020 waren es noch 1,37 Millionen. „Kleinkredite boomen“, konstatiert die Schufa.

Zu einer besonders populären Bezahlmethode hat sich „Buy now, pay later“ entwickelt. Dahinter steht eine neue Form des Rechnungskaufs. Reicht das Geld auf dem Konto am Stichtag nicht, lässt sich die Rechnung in Raten stückeln – womit aus dem anfangs harmlos anmutenden, weil zinslosen Kauf auf Rechnung plötzlich eine Schuldenfalle zu teils horrenden Zinsen werden kann.

Davor warnen nicht nur Verbraucherschützer, sondern auch die Finanzaufsicht BaFin. Insofern ist es folgerichtig, dass die stärker als früher auf Verbraucherrechte getrimmten EU-Gesetzgeber die Regeln schärfen. Zumal die vorangegangene Reform der Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2008 stammt, viele neue Formen von Krediten gar nicht erfasst und Beträge unter 200 Euro ausklammert.

Für undisziplinierte Verbraucher kann das einen Schneeballeffekt zur Folge haben: Kleine Rechnungsbeträge können sich zu einem großen Schuldenproblem summieren. Das Phänomen hat sogar einen Namen: Klarna-Schulden. Unter diesem Schlagwort prahlten zumeist junge Leute eine Zeit lang mit Schulden, die sie bei dem Online-Zahlungsanbieter aus Schweden angehäuft hatten.

Die EU-Staaten haben in der Umsetzung viel Spielraum. Das gilt etwa für neue Wege in der Schuldnerberatung. Aber auch für Art und Umfang von Informationen, die in die ausgeweitete Kreditwürdigkeitsprüfung einfließen. Banken und Finanzdienstleister wie Klarna verlassen sich nur allzu gern auf den Schufa-Score – kein Wunder, dass man dort glücklich ist über die Ausweitung der Verbraucherkreditrichtlinie.

Es liegt jedenfalls im Wesentlichen an der Bundesregierung, ob und wie sie die neuen Regeln mit Leben füllt. Das gilt auch für den Umgang mit „Wucherzinsen“, wie sie Verbraucherschützer immer wieder beklagen. Die EU-Staaten sind beauftragt, geeignete Maßnahmen gegen exzessive Kreditkosten aufzulegen.

Eine Pflicht zur Einführung einer Zinsobergrenze ist der reformierten Richtlinie nicht zu entnehmen. Dem Vernehmen nach hat sich in Brüssel nicht zuletzt die Bundesregierung dagegen ausgesprochen. Banken und Sparkassen dürften also eher wenig zu befürchten haben, wenn es um den berüchtigten Dispozins geht.

Mehr Verbraucherschutz bei Kleinkrediten: Dafür
kann nur die Bundesregierung sorgen.

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