LeitartikelBörsengänge

Wackliges Comeback für IPOs

Konsens ist, dass das IPO-Fenster nach dem Sommer die erste Gelegenheit nach 18 Monaten ist, um die Dynamik wieder anzukurbeln, wenn man von einem Blue-Sky-Szenario ausgeht. In Anbetracht der hartnäckigen Inflationszahlen sind viele Investmentbanker jedoch der Ansicht, dass das realistischere Zeitfenster wahrscheinlich zwischen dem ersten Quartal und Ostern 2024 liegt.

Wackliges Comeback für IPOs

Eigentlich wäre alles bereit für ein Comeback der Börsengänge im Herbst. Nach 18 Monaten der Inflationsbekämpfung scheinen die Zinserhöhungen der Notenbanken langsam auszulaufen. Auch der als „Angstbarometer“ bezeichnete Volatilitätsindex Vix hält sich auf einem Niveau unterhalb von 20 Punkten, das für IPOs als zuträglich gilt. Zugleich mangelt es nicht an Kandidaten. Vor allem Finanzinvestoren sehnen herbei, dass sie aus einigen ihrer schon länger gehaltenen Unternehmensbeteiligungen aussteigen können. Sie brauchen die Exits, um Geld an ihre Investoren zurückzugeben. Nur so können sie neue Mittel erhalten. Im Moment ist das mehr als schwierig. Das Fundraising schrumpft laut Unternehmensberatung Bain im laufenden Jahr um 35%.

Börsengänge

Wackliges Comeback für IPOs

Von Christoph Ruhkamp

Konsens ist, dass das IPO-Fenster nach dem Sommer die erste Gelegenheit nach 18 Monaten ist, um die Dynamik anzukurbeln.

Beispiele für IPO-Kandidaten aus den Portfolios von Finanzinvestoren in Deutschland sind die Parfümeriekette Douglas (CVC), die Oldenburgische Landesbank (Apollo), der Panzergetriebehersteller Renk (Triton), der Tankkartenanbieter DKV Mobility (CVC), der Fernbusbetreiber Flix (General Atlantic), der Heizungsableser Techem (Partners Group), die Springer-Stellenbörse Stepstone (KKR), der Sandalenhersteller Birkenstock (L Catterton) und der Arzneimittelhersteller Stada (Bain/Cinven). Einige betreiben ein Geschäft, das von der derzeit schwachen Konjunktur kaum beeinträchtigt wird. Das gilt beispielsweise für Renk und Techem, die ebenso wie die erfolgreich an die Börse gekommene Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera von den sich leerenden Geldbeuteln der Verbraucher nicht betroffen sind. Doch einige andere IPO-Kandidaten sind seit den für Finanzinvestoren bequemen Nullzinszeiten hoch verschuldet – mit einer schlechten Bonitätsnote –, und ihr Geschäft ist konjunkturabhängig. Das gilt etwa für Birkenstock, die mit ihrem etwaigen IPO in die USA flüchten will, wo dem Kapitalmarkt mehr Aufnahmefähigkeit zugetraut wird. Angesichts schwieriger Finanzierungsbedingungen und steigender Zinssätze reduzieren viele Finanzinvestoren derzeit die Verschuldung ihrer Portfoliounternehmen, um sie für Käufer beim Ausstieg attraktiver zu machen. Ob das genügt, wird sich zeigen. Eine Sonderkonjunktur kommt dem Medikamentenspritzenhersteller Schott Pharma zugute, der vom Boom der Antifettleibigkeitsmittel profitiert. Kämen alle die genannten Unternehmen im Herbst an die Börse, könnte man von einer nachgeholten IPO-Flut nach der Ebbe sprechen: Im laufenden Jahr sind bisher so wenige Unternehmen in Europa an die Börse gegangen wie seit dem Jahr 2009 in der Finanzkrise.

Eine unerwartete Nebenquelle für IPOs „durch die Hintertür“ könnten Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) werden, von denen seit dem Abklingen des Hypes im Jahr 2021 nicht mehr viel die Rede war. Immerhin 3,9 Mrd. Euro befinden sich nach Daten der Bank Berenberg noch in europäischen Spacs – und mehr als 100 Mrd. Dollar in US-Spacs. Von den 46 Spacs, die seit 2020 in Europa an die Börse gegangen sind, haben nur zwölf Übernahmen abgeschlossen, elf wurden aufgelöst, bei neun stehen Übernahmen an und 14 sind noch auf der Suche. Mindestens sechs davon werden ihre zweijährige Frist für die Akquisitionssuche vor Jahresende erreichen – mit 2,6 Mrd. Euro Volumen.

Neuen Schwung in die Orderbücher zu bringen, wird schwierig. IPOs tun sich schwer, obwohl die Emittenten die Bewertungen nach unten korrigieren. Trotz solider Fundamentaldaten der Firmen halten sich Investoren zurück, weil sie mehrheitlich schlechte Erfahrungen mit IPO-Flops gemacht haben. IPOs müssen genügend Streubesitzliquidität bereitstellen, um Investoren anzulocken – und sie dürfen gleichzeitig nicht durch Überangebot den Preis verderben. Konsens ist, dass das IPO-Fenster nach dem Sommer die erste Gelegenheit nach 18 Monaten ist, um die Dynamik wieder anzukurbeln, wenn man von einem Blue-Sky-Szenario ausgeht. In Anbetracht der hartnäckigen Inflationszahlen sind viele Investmentbanker aber der Ansicht, dass das realistischere Zeitfenster wahrscheinlich zwischen dem ersten Quartal und Ostern 2024 liegt. Die Pipeline hat sich stetig vergrößert und enthält gute Kandidaten. Die Wirtschaftsdaten der nächsten Monate werden ausschlaggebend sein, um das Vertrauen der Investoren zu stärken, damit die ersten IPOs an den Start gehen können.

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