LeitartikelLufthansa

Waghalsiges Manöver

Die Lufthansa soll die Ita zum Erfolg führen, doch ob das gelingt, ist fraglich. Die neue Beteiligung ist defizitär und der italienische Markt in der Hand von Billigfliegern.

Waghalsiges Manöver

Leitartikel

Waghalsiges Manöver

Von Lisa Schmelzer

Nun soll es also die Lufthansa in Italien richten. Der Einstieg bei der ITA ist zumindest mutig. Vielleicht auch waghalsig.

Die gute Nachricht zuerst: ITA ist nicht Alitalia. Die neue italienische Fluglinie ITA wurde ohne Altlasten gegründet, nachdem die Alitalia nach jahrelangem Siechtum abgewickelt worden war. Allerdings, und jetzt kommen die schlechten Nachrichten, fliegt ITA seit der Gründung Verluste ein, wird mit Milliardenhilfen vom Staat über Wasser gehalten und bewegt sich in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld. Denn der italienische Markt ist fest in der Hand von Ryanair und Wizz Air. Und nun soll es also die Lufthansa in Italien richten. Der Einstieg bei ITA ist zumindest mutig. Vielleicht auch waghalsig. Letzteren Begriff erklärt der Duden so: übertrieben kühn und keine Rücksicht auf die realen Risiken nehmend. Das trifft es ziemlich genau.

Angesichts der wirtschaftlichen Verfassung der ITA sind die Pläne der Lufthansa, die Italiener schon in wenigen Jahren in die Gewinnzone führen zu können, zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen. Zwar stimmt derzeit die Nachfrage, aber selbst den Lufthansa-Airlines fällt es angesichts explodierter Kosten schwer, Gewinne einzufliegen. Natürlich werden die Italiener von Synergien etwa beim Einkauf von Kerosin profitieren, aber solche Faktoren haben zum Beispiel bei der Lufthansa-Tochter Brussels Airlines nicht gereicht, um sie über die Nulllinie zu hieven.

Weil nun bei ITA zunächst eine Minderheitsbeteiligung eingegangen wird, mit der Option, in wenigen Jahren die komplette Kontrolle zu übernehmen, sind die Details der Vereinbarung umso wichtiger. Darum war hart gerungen worden, nicht umsonst zogen sich die Verhandlungen zuletzt in die Länge. Was passiert, wenn länger als erwartet Verluste geschrieben werden? Schießt der italienische Staat dann noch mal Geld nach? Wie ist man gegenüber Haftungsfragen in Sachen Alitalia abgesichert? Was geschieht, wenn die Wettbewerbshüter noch einen Strich durch die Rechnung machen?  

Einen weiteren dauerhaften Verlustbringer kann sich die deutsche Fluggesellschaft nicht leisten. Zudem steigt durch die Übernahme die Komplexität im Konzern, dabei hatte sich das aktuelle Management vorgenommen, die Strukturen zu verschlanken. Konzernchef Carsten Spohr ist der Meinung, seine Firma könne Integration, und verweist dabei gerne auf Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines. Die Wahrheit aber ist, dass nur die Tochter in der Schweiz ein verlässlicher Ergebnisbringer ist und die beiden anderen Ableger trotz diverser Chefwechsel Sorgenkinder bleiben.

Strategisch und wirtschaftlich macht der Deal in Italien allerdings Sinn. Das südeuropäische Land ist für die Lufthansa einer der wichtigsten Märkte weltweit, und mit eigenen Ablegern hat man dort nie richtig Fuß fassen können, schon gar nicht im gewinnbringenden Langstreckengeschäft. Die deutsche Fluglinie zahlt für die Minderheitsbeteiligung nun im Wege einer Kapitalerhöhung 365 Mill. Euro und bekommt damit für den Preis von drei Großraumfliegern Zugriff auf eine ganze Flotte von rund 70 Maschinen – in Zeiten eines heraufziehenden Flugzeugmangels ist das ein gewichtiges Argument für den Deal. Das neue Drehkreuz Rom wird es der Lufthansa-Gruppe zudem erlauben, ihre größer gewordene Flotte wirtschaftlich noch sinnvoller zu verteilen, so dass am Ende die Langstreckenflieger, die über Gedeih und Verderb entscheiden, optimal gefüllt werden können. Rom ist so weit von den anderen Drehkreuzen der Airline-Gruppe – Frankfurt, München, Brüssel, Zürich und Wien – entfernt, dass dort tatsächlich ein ganz neuer Markt erschlossen werden kann. Die italienische Hauptstadt würde sich zudem für Verkehre nach Afrika und Südamerika anbieten – Letzteres eine Schwachstelle im Lufthansa-Netz, die allerdings durch eine Übernahme der portugiesischen TAP, die ebenfalls zu haben ist, leichter zu beheben wäre.

Hinter dem Zugriff in Italien steckt auch der Plan von Spohr, die Airline internationaler aufzustellen und sie von Deutschland unabhängiger zu machen. Unterm Strich kauft sich die Lufthansa weniger die ITA als vielmehr einen besseren Zugang zu deren Heimatmarkt, nun muss diese Rechnung aber noch aufgehen.

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