Notiert inBrüssel

Warten auf die Fritten-Harmonisierung

Wenn man lange im Freibad für Pool-Pommes angestanden hat und dann nur trockene Kartoffelstäbchen serviert bekommt, kann es schon vorkommen, dass man sich ein Eingreifen des EU-Gesetzgebers wünscht.

Warten auf die Fritten-Harmonisierung

Notiert in Brüssel

Warten auf die Fritten-Harmonisierung

Von Detlef Fechtner

Die Freibadsaison steht unmittelbar bevor – und mit das Schönste daran ist die Vorfreude auf die Pool-Pommes. So wie viele Fluggäste aus unerfindlichen Gründen, sobald sie einen Flieger besteigen, auf einmal Lust auf Tomatensaft haben, so verspüren viele Badegäste, sobald sie es sich auf der großen Liegewiese oder am Beckenrand bequem machen, einen Riesenappetit auf Pommes frites. Doch seit Belgien meine Wahlheimat ist, habe ich daran den Spaß verloren.

Warum scheitern deutsche Imbissbesitzer regelmäßig daran, Fritten zuzubereiten, die zumindest ansatzweise mit dem belgischen Niveau mithalten können? Gewiss, die Belgier haben spezielle Kniffe bei der Zubereitung, weil sie die Kartoffeln stufenweise frittieren. Und sie nutzen ein besonderes Fett. Aber eine Friterie ist doch kein Wissenschaftszentrum – und leckere Pommes zu machen keine Nanotechnologie.

Belgien auch bei Pralinen Vorreiter

Hand aufs Herz: Wenn man eine halbe Stunde bei 35 Grad am Schwimmbadkiosk angestanden hat und dann eine Tüte mit hölzernen, trockenen Kartoffelstäbchen in der Hand hält, die auch durch eine ölige Mayonnaise nicht schmackhafter werden, kann man sich schon einmal dabei erwischen, dass man sich ein Eingreifen der Regulierer wünscht. Es muss ja keine Voll-Vereinheitlichung sein, aber zumindest eine Fritten-Mindestharmonisierung auf Basis des unteren Niveaus belgischer Frituuren. Allein schon, damit sich alle, auch in Deutschland, wieder auf den Schwimmbadbesuch freuen, denn ohne Pommes ist das ja nur der halbe Spaß.

Was für Fritten gilt, das gilt ansatzweise auch für Pralinen. Warum wirkt das Pralinenregal in deutschen Supermärkten immer noch wie in den Siebzigern? In pizzagroßen Schachteln werden eine Handvoll vermeintlich „edler“ Pralinen angeboten, die ihren Namen nicht verdienen, weil sie oft nur eine krude Kombination aus alter Schokolade mit zu üppigem Zuckerguss darstellen, garniert durch einen Billiglikör, der an Kommodenlack erinnert. Ganz anders das Angebot in Belgien: Hier werden die Pralinen eng gestapelt gepackt, sodass man auf wenig Raum viel Masse – und eben auch viel Klasse – unterbringt.

Reisewarnung bei Bratwurst

Und wenn wir schon einmal dabei sind, darf auch die Klage über belegte Brötchen nicht fehlen. Gibt es eigentlich ein Gesetz in Deutschland, dass man in bundesdeutschen Bäckereien, vor allem in Bahnhöfen, nicht einfach eine schlichte Käsestulle verkaufen darf, sondern nur Brötchen, die von dem verwelkten Salatblatt und einer schwer identifizierbaren Mayo-Creme aufgeweicht sind? Wer die europäische Hochkultur der belegten Baguette-Hälften erleben möchte, der sollte nach Gent oder Brüssel reisen und dort ein Martino oder ein Thon picante bestellen.

Aber, na klar, es gibt auch eine Leckerei, für die es sich lohnt, von Belgien nach Deutschland zu reisen: die Bratwurst. Ich habe mich bereits an das Auswärtige Amt gewandt, um eine Reisewarnung für all die Boudins und Braadworsten auszusprechen, die auf belgischen Märkten angeboten werden. Dann doch lieber zweimal Fritten.

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