Trend zu Secondhand

Warum Modekonzerne ein bisschen Flohmarkt sein wollen

Modekonzerne gehen beim Secondhand-Trend mit und bieten mittlerweile Re-Sale an. Die Segmente wachsen aber nur langsam, während Online-Marktplätze wie Vinted boomen. Eine weitere Herausforderung für die Modebranche?

Warum Modekonzerne ein bisschen Flohmarkt sein wollen

Verkaufen, zurücknehmen, nochmal verkaufen

Modekonzerne gehen beim Secondhand-Trend mit und bieten mittlerweile Re-Sale an. Die Segmente wachsen aber nur langsam, während Online-Marktplätze wie Vinted boomen – eine weitere Herausforderung für die Modebranche.

Von Nadine Klees, Frankfurt

Zalando und About you tun es bereits, H&M ebenfalls und Hugo Boss zumindest schon in Frankreich, eine Einführung in Deutschland war aber auch schon geplant. Die Rede ist von Re-Sale oder Pre-loved, wie es oft genannt wird: Damit bezeichnen Modeunternehmen ihren eigenen Bereich für gebrauchte Kleidungsstücke, die sie von Käufern zurückgenommen haben. Ein Secondhand-Shop direkt beim Unternehmen. Das Thema gebrauchte Kleidung verlässt derweil sein Nischendasein, angesichts großer stark wachsender Online-Marktplätze wie Vinted muss die Modebranche mitgehen. Allerdings reagiert sie zum Teil schleppend.

Kein großer Umsatzbringer

Secondhand sei mittlerweile „Mainstream“, sagt Stephan Fetsch, Handelsexperte von der Unternehmensberatung KPMG. „Viele Unternehmen haben den Trend in der Geschwindigkeit unterschätzt, in der sich das alles entwickelt hat.“ Er sieht das Thema als „strukturelle Herausforderung. Denn der Markt öffnet sich zunehmend, darauf müssen Textilunternehmen und -händler ihr Geschäftsmodell anpassen."

Warum nicht schon längst alle Marken Re-Sale-Segmente haben? Laut Fetsch ganz einfach: Re-Sale bedeute für die Unternehmen auch Aufwand: Einkauf, Produkte aufbereiten, waschen, bügeln etc. und Größen sortieren. „Damit sind die Antwortzeiten auf eine solche Entwicklung bei den Konzernen natürlich auch länger.“ Zudem müsse die neue gebrauchte Ware in bisherige Systeme, Strukturen und Prozesse integriert werden. Das sei für viele Händler schwer abzubilden.  

Raus aus der Nische

Für die Konzerne ist das Segment mit gebrauchter Kleidung noch kein großer Umsatzbringer: Zalando-Co-Chef Robert Gentz bezeichnete den Re-Sale-Bereich bei der Jahrespresskonferenz auf Nachfrage als „noch nicht sehr groß“, es gehe aber um die „langfristige Entwicklung“. Die Kleidungsstücke seien zudem teurer als das, was Kunden bei Secondhand vielleicht erwarten. Das liegt daran, dass die Ware neuwertig ist. Wie andere Unternehmen nimmt Zalando in der Kategorie Pre-owned nur getragene Kleidung in neuwertigem Zustand zurück und verkauft sie wieder. Bessere Schnäppchen machen Käufer am Ende sicher auf richtigen Secondhand-Plattformen, wo Privatpersonen direkt verkaufen.

Der Hamburger Online-Modehändler About You, den Zalando gerade übernimmt, erklärt auf Anfrage: Das Secondhand-Sortiment werde weiter ausgebaut. Im vergangenen Geschäftsjahr seien rund 879.000 Teile angeboten worden – eine Steigerung um 20% im Vergleich zum Vorjahr. Im laufenden Geschäftsjahr liege das Ziel bei einer Million Artikel. Der Anteil am Konzernumsatz sei noch gering. Mit dem weiteren Ausbau des Sortiments will About You den Kunden mehr Vielfalt bieten und die Kreislaufwirtschaft stärken. Auch bei anderen Modeunternehmen zeichnet sich laut Felix Rölkens, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey und Experte für die Modeindustrie, ein ähnliches Bild ab. Er beschreibt die Wachstumskurse der etablierten Unternehmen im Re-Sale-Segment als eher flach – auch wenn Secondhand ein Wachstumsmarkt sei.

Vinted wächst rasant

Wesentlich steiler steigt die Wachstumskurve beispielsweise bei der litauischen Online-Secondhand-Plattform Vinted. Hier geht es wirklich zu wie auf einem Flohmarkt, und die Plattform wächst rasant: Im abgelaufenen Jahr verdreifachte sich der Nettogewinn, nachdem das Unternehmen 2023 erstmals schwarze Zahlen geschrieben hatte.

Eine Zeit lang stand auch immer wieder das Thema Börsengang im Raum. So wie sich das Unternehmen allerdings zuletzt geäußert hatte, steht das Going Public zunächst nicht auf der Prioritätenliste. Der Fokus liege derzeit vielmehr auf der Diversifizierung über die Modesparte hinaus, zitierte ein Branchenmagazin den CEO Thomas Plantenga im November vergangenen Jahres. Es sei einfacher, mit fünf oder sechs Investoren zu verhandeln, als eine große Aktionärsbasis zufriedenstellen zu müssen. Zu diesem Zeitpunkt erzielte das Unternehmen eine Bewertung von 5 Mrd. Euro.

Kannibalisieren sich die Segmente?

Eine spannende Frage für Rölkens ist auch, wie genau sich diese Re-Sale-Kategorien bei den Unternehmen auswirkten. Kannibalisieren sich damit die einzelnen Segmente? Geben die Kunden ihr Geld entweder für Neuware oder Secondhand-Kleidung im Online-Shop aus? Oder doch für beides? „Diese Frage lässt sich noch nicht abschließend beantworten“, sagt Rölkens. Es gebe aber Analysen, die eher darauf hinweisen, dass es zusätzliche Umsätze sein könnten. Vielleicht sei es sogar eine Möglichkeit für teurere Marken, auf diese Weise Neukunden zu gewinnen. „Die Schwelle für den Erstkauf ist so niedriger“, sagt Rölkens. Und dann kämen die Kunden vielleicht später zurück und bezahlten den vollen Preis, weil das Produkt gut sei.

Der Druck steigt weiter

Rölkens ist auch Co-Autor der Studie „The State of Fashion 2025“ und sieht in der Branche künftig auch weiter steigenden Druck und eine weiter voranschreitende Konsolidierung. Schließlich ist der Trend zur Secondhand-Mode nicht das einzige Thema, das die Branche gerade bewegt. Ein Problem ist auch der Klimawandel: „Was haben wir denn noch für Winter“, sagt KPMG-Experte Fetsch. Dabei sei der Winter die Hauptsaison in der Modebranche, hier werde am meisten verkauft. Dazu komme die alternde Gesellschaft: „Die Kleiderschränke sind generell voll. Ältere Menschen haben im Trend ein abnehmendes Bedürfnis nach neuen Kleidungsartikeln.“

Zahlen zum Secondhand-Markt zu nennen ist nicht so einfach: Fetsch schätzt den derzeitigen Anteil am Markt für Secondhand-Kleidung auf insgesamt 15% – inklusive Plattformen wie Vinted, Secondhand-Segmenten von Konzernen wie Zalando, aber auch anderen Verkaufswegen wie Ebay, kleinen einzelnen Läden sowie privaten Kleiderbörsen. Der Markt sei dadurch unübersichtlich und Daten über den Markt nur schwer zu erheben. Zudem gebe es einen großen grauen Markt von Spielern, der in den Marktdaten nicht hinreichend reflektiert ist.

2025 weniger Geld für Mode

Was Secondhand derzeit so erfolgreich macht, ist ein größeres Kostenbewusstsein angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten und Inflation. In der McKinsey-Studie „The state of Fashion 2025“ heißt es, dass 80% der befragten Konsumenten planen, 2025 gleich viel oder weniger Geld für Mode auszugeben.

41% der Befragten greifen auf Secondhand-Outlets zurück oder auf günstigere Repliken, die dank der Gen Z unter dem Namen „Dupe“ an Popularität gewonnen haben. Bei einem prognostizierten Wachstum der Modebranche im niedrigen einstelligen Bereich müssten Marken hart um Marktanteile kämpfen, heißt es laut Studie.

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