LEITARTIKEL

Willkommenes Signal

Es ist ganz anders als damals: Keine Verwunderung an den Märkten, keine empörten Wortmeldungen aus der Politik und keine Überraschung im Vorstand. Daimlers langjähriger China-Partner BAIC hat sich über die vergangenen Monate rund 2,5 % an Daimler...

Willkommenes Signal

Es ist ganz anders als damals: Keine Verwunderung an den Märkten, keine empörten Wortmeldungen aus der Politik und keine Überraschung im Vorstand. Daimlers langjähriger China-Partner BAIC hat sich über die vergangenen Monate rund 2,5 % an Daimler direkt über Aktienkäufe gesichert sowie Bezugsrechte für weitere rund 2,5 % – und Vorstandschef Ola Källenius begrüßt den neuen Großaktionär in einer Mitteilung mit warmen Worten.Als Li Shufu, Eigner des BAIC-Wettbewerbers Geely, Anfang 2018 über ein Finanzkonstrukt 9,7 % an Daimler erwarb und so Veröffentlichungspflichten umging, war das anders. Die Märkte und die Politik fürchteten strategische Einflussnahme und kritisierten die Anschleichtaktik. Allerdings gibt sich Li seither als guter Investor. Einen Sitz im Aufsichtsrat strebt er eigenen Aussagen zufolge nicht an, schließlich hat er über mittlerweile zwei Kooperationen ohnehin längst Einfluss auf die Konzernstrategie. Dabei bietet die Zusammenarbeit im Zukunftsgeschäft mit Fahrdiensten auch Daimler in diesem Bereich eine Perspektive in China. Und durch die Übernahme der Hälfte des künftig in China produzierten ewigen Verlustbringers Smart hat Geely eine längst überfällige Aufräumarbeit unterstützt.Allerdings hatte Geelys Einstieg das Potenzial, Daimlers Beziehung zu BAIC, mit der das wichtige chinesische Kerngeschäft mit Mercedes-Pkw betrieben wird, zu schaden. Bereits Dieter Zetsche und nun Källenius erwähnten daher laufend, dass BAIC der mit Abstand wichtigste Partner in China bleibe. Dieser diplomatische Kurs hat offenbar gefruchtet. Bereits im Zuge von Daimlers Kapitalbeteiligung an BAICs Kfz-Tochter BAIC Motor 2013 wurde über eine Überkreuzbeteiligung spekuliert. 2015 bestätigte BAIC-Chairman Xu Heyi die grundsätzliche Einstiegsabsicht erstmals. Zu der nun erfolgten Beteiligung wäre es kaum gekommen, wenn die Partnerschaft von Daimler und Geely für Xu – und damit den chinesischen Staat hinter BAIC – ein rotes Tuch wäre. Das gilt vor allem, da BAIC bei Daimler Insidern zufolge in der Vergangenheit um den Verkauf rabattierter Aktien gebeten hatte. Die Stuttgarter lehnten das dem Vernehmen nach ab und verwiesen dabei auch auf potenziellen Ärger mit dem langjährigsten Aktionär Kuwait durch eine Verwässerung von dessen Anteil. BAIC solle am Markt kaufen – das ist nun geschehen.Für Daimler ist das zunächst positiv. Auch wenn die Dividendenrendite der Daimler-Aktie von derzeit rund 6,5 % für die operativ unter Druck stehende BAIC-Gruppe ein willkommener Zufluss ist: Um einen rein finanziell motivierten Schritt oder einen bloßen Fingerzeig in Richtung Li dürfte es sich kaum handeln. Xu spricht in einer Mitteilung von Rückendeckung für Daimlers Strategie und Management, und das kommt an den Märkten durchaus als Signal des Vertrauens an. Speziell nach vier Gewinnwarnungen der Stuttgarter binnen eines Jahres. BAIC gehört der Stadt Peking, und das offenbare Wohlwollen der chinesischen Regierung kann vor dem Hintergrund des schwelenden Wirtschaftsstreits zwischen den USA und China die Chance erhöhen, zumindest im weltweit wichtigsten Automarkt politisch nicht unter die Räder zu kommen.Dass sich Källenius sowohl mit Geely als auch mit BAIC weitere Kooperationen vorstellen kann, ist ein offenes Geheimnis, er und sein Vorgänger haben das immer wieder angedeutet. Eine nun naheliegende Aufstockung der Beteiligung an BAIC Motor selbst oder – durch eine Gesetzesänderung ab 2022 möglich – am gemeinsamen Pkw-Produktionsunternehmen BBAC, an dem Daimler 49 % hält, sollte sich Källenius aber gut überlegen.Daimler braucht derzeit jeden Cent, um ihre Wettbewerbsfähigkeit ohne allzu große Verluste in die Zukunft zu retten. Da sind milliardenschwere Investitionen in E-Mobilität und autonomes Fahren bei gleichzeitig sinkender Nachfrage, die Kosten für die Neuaufstellung in einer Holding-Struktur, die finanzielle Bewältigung des Abgasskandals sowie Sonderkosten, weil derzeit der Produktionshochlauf margenstarker neuer SUV-Modelle stockt und die Produktion des gefloppten Pick-ups X-Klasse gestoppt werden soll. Gleichzeitig funktioniert die Zusammenarbeit mit BAIC nun seit vielen Jahren auch mit Daimler in der Minderheit gut. Zumindest vorerst besteht damit kein dringlicher Grund, sich zusätzliches Ergebnis teuer zu erkaufen. Besser wäre es, zunächst die hausgemachten Probleme abzuarbeiten und sich für den konjunkturellen Gegenwind wetterfest zu machen, den die Branche auch 2020 noch erwartet. ——Von Isabel GomezDer Einstieg von BAIC bei Daimler ist ein positives Zeichen. Eine finanzielle Aufstockung durch Daimler in China eilt indes überhaupt nicht. ——