BlickfeldBewertungsfragen

Wirtschaftsprüfer wollen Klarheit bei Squeeze-outs

Bei Squeeze-outs führt die Frage nach der fairen Abfindung oft zu heftigen Diskussionen und langwierigen Gerichtsverfahren. Das Institut der Wirtschaftsprüfer entwickelt nun einen neuen Standard, der für Orientierung bei der Suche nach dem wahren Wert sorgen soll.

Wirtschaftsprüfer wollen Klarheit bei Squeeze-outs

Wirtschaftsprüfer wollen Klarheit bei Squeeze-outs

Bei Squeeze-outs führt die Frage nach der fairen Abfindung oft zu heftigen Diskussionen und langwierigen Gerichtsverfahren. Das Institut der Wirtschaftsprüfer entwickelt nun einen neuen Standard, der für Orientierung bei der Suche nach dem wahren Wert sorgen soll.

Wie viel ist mein Anteil noch wert? Für Minderheitsaktionäre ist das die zentrale Frage bei einem Squeeze-out. Die Antwort liegt meist zwischen zwei Zahlen: dem Börsenkurs und dem Ertragswert. Der Börsenkurs gilt als Untergrenze – den Betrag könnte ein Aktionär beim Verkauf seiner Anteile über die Börse erzielen. Der Ertragswert hingegen basiert auf den erwarteten zukünftigen Gewinnen des Unternehmens, abgezinst auf den heutigen Tag.

Die Herausforderung dabei: „Das Ertragswertverfahren stützt sich auf zahlreiche Annahmen“, sagt Frederik Ruthardt, Wirtschaftsprüfer bei RSM Ebner Stolz und Mitglied im Fachausschuss Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des Instituts der Wirtschaftsprüfer IDW. Da schon kleine Änderungen an einzelnen Parametern einen Werteffekt haben, seien diese oft umstritten. „Für Minderheitsaktionäre birgt das eine Chance, für Mehrheitsaktionäre eine Unsicherheit.“

BGH-Entscheidung mit Folgen

Über Abfindungshöhen lässt sich vortrefflich streiten, und das mitunter jahrelang. „Die Abfindung unterliegt einer gerichtlichen Überprüfung“, erklärt Alexander Kiefner, Partner mit Fokus auf Gesellschaftsrecht bei White & Case. „Es gibt Squeeze-outs, die mehr als zehn Jahre lang die Gerichte beschäftigen.“ Spezialisierte Hedgefonds steigen gern gezielt in Übernahmesituationen ein, um auf steigende Abfindungen zu spekulieren.

Alexander Kiefner
Alexander Kiefner
White & Case

Doch es gibt Hoffnung, dass diese Form von Arbitrage bald abnimmt. Zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bei der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG und dem Squeeze-out bei Kabel Deutschland haben die Diskussion unter Juristen und Wirtschaftsprüfern zuletzt in eine neue Richtung gestoßen. Denn das Gericht hat eine Alternative zum vorherrschenden Fokus auf das Ertragswertverfahren aufzeigt: „Der BGH hat in beiden Entscheidungen klargestellt, dass der Börsenkurs grundsätzlich als eigenständige Bewertungsmethode anerkannt ist“, sagt Kiefner.

Wirtschaftsprüfer bauen Ampelsystem

Das könnte Taking-Private-Vorhaben künftig beschleunigen. Die Grundsatzentscheidung des BGH wirft für die Wirtschaftsprüfer allerdings Folgefragen auf. „Als Prüfer muss ich anhand ökonomisch sinnvoller Kriterien entscheiden, wann ich den Börsenkurs und wann den Ertragswert stärker gewichte“, erklärt Ruthardt. Um Kolleginnen und Kollegen Orientierung zu bieten, entwickelt das IDW nun einen neuen Standard; derzeit firmiert er als Entwurfsstandard IDW ES17. An ihm können sich Prüfer orientieren, die im Auftrag eines Gerichts die Angemessenheit einer Abfindung beurteilen sollen. „Auch wer einen Mehrheitsaktionär in einem Squeeze-out-Verfahren berät, wird auf diesen Entwurf schauen“, erwartet Ruthardt.

Als Prüfer muss ich anhand ökonomisch sinnvoller Kriterien entscheiden, wann ich den Börsenkurs und wann den Ertragswert stärker gewichte.

Frederik Ruthardt, RSM Ebner Stolz

Im Entwurfsstandard hat die IDW-Arbeitsgruppe sich für ein Ampelsystem entschieden. Je mehr Kriterien auf Grün stehen, umso besser ist der Informationsfluss – und umso stärker kann der Börsenkurs gewichtet werden. Betrachtet werden etwa die Anteilseignerstruktur, die Liquidität der Aktie, die Markt-Coverage, der Umfang der Unternehmensberichterstattung, die Entwicklung der Rahmenbedingungen zwischen Börsenkursstichtag und Bewertungsstichtag sowie etwaige Kursbeeinflussungen.

Je mehr Faktoren auf Gelb stehen, umso stärker sollte der Ertragswert mit in die Entscheidung einfließen. Hat etwa ein Aktionär einen klaren Informationsvorsprung, gibt es keinen liquiden Handel in einer Aktie oder sind gar Verstöße gegen die Marktmissbrauchsverordnung bekannt, würde dies die Aussagekraft des Börsenwerts stark infrage stellen – in diesen Fällen springt die Ampel auf Rot. „Dann wird der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte objektivierte Unternehmenswert zur maßgeblichen Größe“, erklärt Ruthardt.

Die Möglichkeit, dass alle Kriterien grün sind, sieht der Wirtschaftsprüfer etwa bei Dax-Konzernen. Über sie wird regelmäßig berichtet, die Aktien sind liquide, die Notierung im regulierten Markt geht mit Informationspflichten einher. In den meisten Fällen dürften einige gelbe Faktoren auftauchen, erwartet Ruthardt. „Dann muss der Wirtschaftsprüfer entscheiden, wie er zwischen Börsen- und Ertragswert abwägt.“

Es geht nicht darum, beim Auftauchen eines gelben Kriteriums wieder jahrelang vor Gericht über einzelne Parameter des Ertragswerts zu diskutieren.

Alexander Kiefner, White & Case

Für Jurist Kiefner ist entscheidend, dass die Möglichkeit zur stärkeren Gewichtung des Börsenkurses genutzt wird, ohne in alte Muster zurückzufallen: „Es geht nicht darum, beim Auftauchen eines gelben Kriteriums wieder jahrelang vor Gericht über einzelne Parameter des Ertragswerts zu diskutieren“, warnt er. Ziel sei es, dass Richter sich eine Meinung zu einer angemessenen Abfindungshöhe bilden könnten, ohne in langwierige Detailbetrachtungen abzurutschen.

Frederik Ruthardt
Frederik Ruthardt
RSM Ebner Stolz

Ruthardt beobachtet, dass Wirtschaftsprüfer bei Bewertungsgutachten bereits zunehmend erst den Börsenkurs betrachten und im zweiten Schritt den Ertragswert zur Plausibilisierung heranziehen. Der Wunsch nach mehr Einheitlichkeit bei der noch neuen Vorgehensweise sei aber groß. In den kommenden Wochen stehen Feinarbeiten an dem Entwurf des IDW an, noch bis August können Praktiker zu dem Vorschlag Feedback geben. Danach geht der Standard in die Finalisierung.

Bei Squeeze-outs führt die Frage nach der fairen Abfindung oft zu heftigen Diskussionen und langwierigen Gerichtsverfahren. Das Institut der Wirtschaftsprüfer entwickelt nun einen neuen Standard, der für Orientierung bei der Suche nach dem wahren Wert sorgen soll.

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
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