Wohnungsbau vor Niedergang
Immobilien
Wohnungsbau vor Niedergang
Von Helmut Kipp
Die Wohnungsnot wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. Denn die Talfahrt des Wohnungsbaus ist kaum noch aufzuhalten.
Wie prekär der Wohnungsmarkt ist, zeigt ein Beispiel aus Berlin. Dort meldeten sich 43.000 Bewerber auf 288 Wohnungen. Und das in 30 Minuten. Dann wurde die Anzeige offline geschaltet. Für die landeseigene Howoge und andere Wohnungsgesellschaften ist solch ein Ansturm ebenso Alltag wie das kurzfristige Löschen von Inseraten, um der Flut von Anfragen Herr zu werden. Was hilft? Das Angebot erweitern. Also Dachausbau, Aufstockung von Gebäuden, Umwandlung leerstehender Büros und Handelsflächen – und vor allem Neubau. Was aber passiert? Bauwillige stoppen ihre Vorhaben. Aufträge werden reihenweise storniert. Bauträger rutschen in die Pleite. Die Baugenehmigungen, ein wichtiger Vorlaufindikator, brechen ein. Das schlägt sich ein, zwei Jahre später in den Fertigstellungen nieder. 400.000 neue Wohnungen im Jahr hat die SPD-geführte Bundesregierung versprochen. Dieses Ziel liegt in weiter Ferne. Im nächsten oder übernächsten Jahr werden es Prognosen zufolge nur 200.000 sein – halb so viele wie angekündigt. Und das trotz weiter steigendem Bedarf infolge der ungebremsten Zuwanderung.
Zinsen und Baukosten rapide gestiegen
Für den Niedergang des Wohnungsbaus gibt es viele Gründe. An erster Stelle steht der rapide Anstieg von Zinsen und Baukosten. Statt weniger als 1% müssen Käufer für eine Zehnjahreshypothek mehr als 4% bezahlen. Und die Baukosten sind seit Pandemieausbruch um gut 40% geklettert. Daher sind viele Projekte nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar. Zinsen und Energiepreise werden auf absehbare Zeit hoch bleiben, und die Lohnkosten werden erst recht kaum sinken. Kommerzielle Vermieter wie Vonovia legen neue Vorhaben auf Eis, da sie sich nicht mehr rechnen. Öffentliche Wohnungsgesellschaften bauen zwar noch, weil ihre Eigentümer, häufig Kommunen, das verlangen. Das dürfte ihnen in einigen Jahren Finanzprobleme bescheren.
Mit staatlichen Subventionen sind die Wohnungsprobleme nicht zu lösen. Dafür wären substanziell zweistellige Milliardenbeträge erforderlich, die der Haushalt nicht hergibt. Die geplanten Abschreibungserleichterungen, Zahnärzteprogramm genannt, unterstützen vor allem das Luxussegment, lösen aber nicht das Kernproblem, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Und die Förderung von Wohneigentum für Familien hilft zuvorderst Bauwilligen auf dem Lande. Dort aber ist der Wohnungsmarkt vergleichsweise entspannt. Für Neubau in großen Städten sind die Einkommensgrenzen trotz Anhebung zu niedrig. Die Familienförderung koste wenig und bewirke nichts, heißt es in der Branche.
Hohe Staatsquote
Rechtliche Lockerungen, die eine Refinanzierung über höhere Mieten erleichtern, sind unwahrscheinlich. Die politische Diskussion bewegt sich eher in Richtung weiterer Verschärfungen, um Menschen mit geringem Einkommen vor den preislichen Folgen der Wohnungsnot zu schützen. Schon jetzt sind die Mieten für manche Bevölkerungsgruppen schwer zu stemmen. Sie müssten nach Schätzung der DZ Bank um mindestens 50% steigen, um Wohnungsbau wieder wirtschaftlich zu machen – eine Zunahme, die soziale Verwerfungen hervorrufen würde. Verbände machen sich für eine Senkung der Staatsquote am Bau stark, also des Kostenanteils, der auf Steuern und staatliche Vorgaben zurückgeht. Diese Quote veranschlagt die Branchenorganisation ZIA auf 37% des Verkaufspreises. Darunter fallen Steuern, Gebühren, technische und energetische Auflagen oder Sozialwohnungsquoten. Doch abgesehen vom umstrittenen, da mit AfD-Stimmen gefassten Mehrheitsbeschluss des thüringischen Landtags, die Grunderwerbsteuer in dem Bundesland von 6,5 auf 5% zu senken, passiert wenig.
Lobenswertes Vorhaben
Bundesbauministerin Klara Geywitz will sich nun der Herkulesaufgabe widmen, den Wust an Bauvorschriften zu entwirren. Das ist ein lobenswerter Vorstoß. Weniger Bürokratie, schnellere Planung und Genehmigung, weniger und vor allem einheitliche Vorschriften – das sind superwichtige Themen, die signifikant zu niedrigeren Baukosten beitragen. Selbst wenn Geywitz Erfolg haben sollte: Es wird Jahre dauern, bis geänderte Normen vom Bund über die Länder bei den kommunalen Bauamtsleitern ankommen und umgesetzt werden. Schnelle Fortschritte wird es also nicht geben. Die Wohnungskrise wird die Republik auf Jahre beschäftigen.