Deutsche Börse gelingt Konter gegen die Neobroker
Deutsche Börse gelingt Konter gegen die Neobroker
Xetra-Offensive
Gelungenes Konter gegen die Neobroker
Von Björn Godenrath
Mit der Verlängerung der Retail-Handelszeiten hat die Deutsche Börse ein schlüssiges Konzept gegen neue Wettbewerber vorgelegt. Zu weit treiben sollte sie es jedoch nicht.
Ende 1997 gestartet, hat Xetra als das elektronische Handelssystem der Deutschen Börse erheblich zur Modernisierung des Wertpapierhandels beigetragen. Rund 90% aller Aktien und ETFs werden in Deutschland heute über Xetra gehandelt. Los ging es am „X-Day“ damals mit 109 Aktien – und zunächst nur für institutionelle Händler. Erst ab Oktober 1998 wurde das Handelssystem für Privatanleger geöffnet mit Ordergrößen ab einem Stück. Ebenfalls elementar war die gleichzeitige Einführung von Designated Sponsors als Liquiditätsspender. Denn für eine gute Preisqualität im Handel braucht es die Market Maker.
Handeln bis 22 Uhr mit „Retail Late“
Rund 10% des Ordervolumens entfällt bei Xetra auf private Anleger. Bislang handeln sie primär im klassischen Zeitfenster bis zur Schlussauktion um 17:30 Uhr. Der nach- oder vorbörslichen Retailhandel läuft dagegen vor allem über L&SExchange und Tradegate. Durch die Verlängerung des Xetra-Handels bis 22 Uhr besetzt die Deutsche Börse diesen Markt nun auch. Das dürfte Volumina von diesen Plattformen abziehen. Doch das eigentliche Ziel der Deutschen Börse dürften nicht Tradegate & Co. sein, sondern die wachstumsstarken Neobroker sein. Denn die Aufträge der Millionen Kunden, die sie gewonnen haben, werden nicht über Xetra abgewickelt.

Daniel Kalker | Daniel Kalke
Die Neobroker brauchen ein neues Trading-Modell
Dem kann die Deutsche Börse nicht tatenlos zusehen. In einem ersten Schritt hatte der Börsenbetreiber einen schönen Lobbyerfolg gelandet, indem er sich erfolgreich für ein Verbot des Payment-for-Order-Flow (PFOF) einsetzte. Diese Rückvergütungen sind bis dato die wichtigste Einnahmequelle der Neobroker. Auf dieser Basis können sie die Aktienordner als kostenlos vermarkten, wobei sie nur eine Pauschale von 1 Euro erheben. Das Verdikt aus Brüssel zur Abschaffung der Rückvergütung zwingt sie, bis Mitte 2026 ein alternatives Geschäftsmodell zu installieren. Scalable Capital hat darauf bereits reagiert. In Kooperation mit der Börse Hannover hat der Neobroker die European Investor Exchange (EIX) gestartet, ein eigener Handelsplatz, der zugleich als Market Maker agiert – und an dem bis 22 Uhr gehandelt werden kann.

picture alliance / Joko | Joko
Trade Republic hüllt sich bislang in Schweigen. Mit mehr 10 Millionen Anlegern in der EU ist die Plattform jedoch groß genug, um einen eigenes Marktmodell zu speisen. Die Verpflichtung des Head of Trading von Lang&Schwarz dürfte ein Fingerzeig für die Pläne von Trade Republic sein: Der Aufbau eines eigenen Market Makers, der Geld- und Briefkurse stellt und am Spread mitverdient. Um als Multilateral Trading Facility (MTF) zu operieren, braucht es allerdings als Faustformel zwei externe Market Maker. Dazu gab es im Frühjahr schon ein regulatorisches Scharmützel, das die ESMA schlichten musste.
Welcher Broker kann den Kunden mehr bieten?
Denn mit Blick auf die Qualität in Preisfindung und Abwicklung wird sich Trade Republic mit Xetra Retail messen lassen müssen. Immerhin nehmen dort Adressen wie ING, Consors und FlatexDegiro teil. Sie beflaggen Order von Privatkunden, sodass sie als Retail-Orderflow einfließen. Diese Broker sind die Hauptprofiteure der verlängerten Xetra-Handelszeiten, da ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Trade Republic stärkt.

kA
Die große Frage bleibt, ob die privaten Anleger den Früh- und Späthandel so rege nutzen, dass ausreichend Volumen zusammenkommt? Bei dünner Liquidität in den Nebenzeiten drohen erhöhte Spreads. Da Xetra Retail mit Rabatten gegenüber dem Standardmodell verbunden ist, setzt das Angebot einen Anreiz für die Broker, ihre Kunden in die erweiterten Handelsphasen zu locken.
Mit der Xetra-Offensive hat die Börse ein schlüssiges Konzept vorgelegt, um sich dem Wettbewerb zu stellen. Sie nähert sich einem 24/5-Handels an. Überspannen sollte sie den Bogen jedoch nicht. Denn beim 24/7-Handel von Bitcoin zeigt sich, dass Marktteilnehmer die dünne Liquidität in den Randzeiten regelmäßig nutzen, um die Notiz in ihrem Sinne zu manipulieren. Das ist die Schattenseite des Rund-um-die-Uhr-Handels.

Martin Joppen/Deutsche Börse.
