LEITARTIKEL

Zeigen Sie sich, Herr Singer!

Die ganz feine Art ist das sicher nicht: Noch bevor der mit 35 Mrd. Dollar verwaltetem Vermögen global größte aktivistische Investor Elliott sein Engagement bei Thyssenkrupp überhaupt offiziell bestätigte, ließ Hedgefonds-Gründerguru Paul Singer -...

Zeigen Sie sich, Herr Singer!

Die ganz feine Art ist das sicher nicht: Noch bevor der mit 35 Mrd. Dollar verwaltetem Vermögen global größte aktivistische Investor Elliott sein Engagement bei Thyssenkrupp überhaupt offiziell bestätigte, ließ Hedgefonds-Gründerguru Paul Singer – der Alptraum aller Vorstände – in Finanzkreisen verbreiten, man wolle Vorstandschef Heinrich Hiesinger ablösen. Erst später hieß es, man suche den “konstruktiven Dialog” mit Aufsichtsrat und Vorstand von Thyssenkrupp. Wie soll dieser möglich sein, wenn schon der Kopf des CEO gefordert wird? Zumal jeder weiß, dass Aufsichtsratschef Ulrich Lehner als inoffizieller Vertreter der Krupp-Stiftung in dem Kontrollgremium den Kurs Hiesingers mit einem Konzernumbau im moderaten Tempo unterstützt: Die Krupp-Stiftung hat die Wahrung der Einheit des Unternehmens zum Zweck.Zur Last gelegt wird Hiesinger von Elliott, – wie auch von dem schon seit 2013 als Großaktionär engagierten schwedischen Finanzinvestor Cevian – er treibe den Konzernumbau seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren zu langsam voran. Das klingt doch arg übertrieben. Hiesinger kam Anfang 2011 als Retter in der größten Krise der Geschichte des 200 Jahre alten Unternehmens. Seitdem ist viel passiert: Thyssenkrupp hat Geschäftsfelder mit einem Gesamtumsatz von weit mehr als 10 Mrd. Euro verkauft – ein Viertel des heutigen Gruppenumsatzes. Der Konzern hat die Bilanz aufgeräumt – wenngleich die Eigenkapitalausstattung noch immer schwach ist. Teure Abenteuer wie das Brammenwerk in Brasilien und die Walzwerke in Alabama, mit denen der Konzern 8 Mrd. Euro verlor, wurden endgültig beendet.Die Compliance-Risiken, die aus den Seilschaften alter Ruhrgebietsmänner resultierten, die ihre Fehler und Verfehlungen, wie etwa das Schienenkartell, gegenseitig deckten, hat Hiesinger Stück für Stück abgearbeitet. Rund 70 % der Führungspositionen wurden neu besetzt. Das Portfolio an Geschäftsfeldern wurde verschlankt – von acht “Business Areas” 2011 auf heute fünf. Das Kerngeschäft besteht nun aus den Sparten für Aufzüge, Automobilkomponenten und Großanlagen. Nach Abschluss des Stahl-Joint-Ventures mit Tata, das Elliott nun kurz vor der Vertragsunterzeichnung wieder in Frage stellt, hat der Konzern noch vier Business Areas. Bereits avisiert ist der Verkauf des Werkstoffhandels. Damit würde Thyssenkrupp – erst recht nach einem später geplanten Börsengang der Stahlsparte samt weiterer Anteilsreduzierung – weit weniger abhängig vom zyklischen Stahlgeschäft. Machte dieses Geschäft 2011 rund 40 % des Umsatzes aus, sind es nach dem Joint Venture noch gut 5 %. Für Aktionäre zählt vor allem der Gewinn: Seit damals hat sich das operative Ergebnis auf 1,9 Mrd. Euro versechsfacht.Allerdings lässt der Aktienkurs zu wünschen übrig. Seit Hiesingers Amtsantritt ist dieser um rund 30 % gefallen. Man muss ihm zugutehalten, dass da noch nicht alle Desaster, die andere zu verantworten hatten, offenlagen. Seit Februar 2016, als die Trennung vom Stahl in die Wege geleitet wurde, hat der Börsenwert des Konzerns indes um die Hälfte auf mehr als 14 Mrd. Euro zugelegt. Einen Vorwurf kann man Hiesinger dennoch machen: Er schiebt die Nachschärfung der Konzernstrategie vor sich her, will erst die Stahlfusion vollenden. Dass bis dahin alle bedeutenden Entscheidungen für die übrigen Sparten augenscheinlich auf Eis liegen, ist nicht einzusehen.Um sinnvoll eine Bilanz von Hiesingers Wirken ziehen zu können, wird man jedoch ein weiteres Jahr abwarten müssen, bis die positiven bilanziellen Effekte der Stahlfusion wirksam werden. Erst dann kann für den Manager, der bisher unbeirrt seinen Kurs verfolgt, ein Zeugnis ausgestellt werden. Hiesingers Vertrag endet im September 2020. Bis dahin wird er noch Nerven brauchen, die so dick sind wie die Stahlseile der Aufzüge von Thyssenkrupp. Elliott macht bei Stada und Uniper sowie einem halben Dutzend weiterer deutscher Unternehmen vor, wie man bei laufenden Übernahmen so querschießt, dass eine hohe Abfindung herausspringt. Fortschritte in der strategischen Neuausrichtung der Konzerne, die für alle Aktionäre gut gewesen wären, waren selten die Folge der Elliott-Engagements. Bei Thyssenkrupp wird das voraussichtlich nicht anders sein. Dafür hätte es fruchtbare Diskussionen mit Aufsichtsrat und Vorstand gebraucht. Die sind nun jedoch – nach dem groben Auftakt – unwahrscheinlich. Zunächst bräuchte der Hedgefonds, der in Europa von Paul Singers Sohn Gordon geführt wird, in Deutschland ein Gesicht. Zeigen Sie sich, Herr Singer! — Von Christoph RuhkampElliott wird neuer Aktionär bei Thyssenkrupp. Die Konzernstrategie wird der Hedgefonds kaum bereichern. Dafür war der Auftakt zu grob. —