Notiert inFrankfurt

Zeitreise im Bundesbank-Bunker

In einem Cochemer Bunker lagerte die Bundesbank während des Kalten Krieges streng geheim fast 15 Mrd. D-Mark in Scheinen. Im Ernstfall hätten sie bestehende Banknoten ersetzen können. Seit 2016 ist die Anlage ein Museum.

Zeitreise im Bundesbank-Bunker

Notiert in Frankfurt

Zeitreise im Bundesbank-Bunker

Von Tobias Fischer

Eines der am besten gewahrten Geheimnisse des Kalten Krieges verbarg sich in einem unscheinbaren Wohngebiet in Cochem an der Mosel. Dass dort unterhalb eines von der Deutschen Bundesbank betriebenen Schulungs- und Erholungsheims eigens für den Krisen- oder Kriegsfall konzipierte Banknoten lagerten, soll noch nicht einmal die ansonsten stets bestens informierte Staatssicherheit der DDR gewusst haben.

Ersatzscheine über 14,5 Mrd. D-Mark

Wer sich für eine bis zu einstündige Führung in den Bundesbank-Bunker Cochem begibt, erlebt eine Zeitreise in eine bis zu 30 Meter tiefe, 1.500 qm große Anlage im Moselhang. Über Jahrzehnte wurden im Bunker fein säuberlich verpackte Scheine der sogenannten Ersatzserie von fast 14,5 Mrd. D-Mark verwahrt. Weitere knapp 11 Mrd. D-Mark lagen bei der Bundesbank in Frankfurt.

Furcht vor Falschgeldflut

Aus Furcht, der Warschauer Pakt könne Deutschland mit einer Flut an Falschgeld überziehen und so die Inflation in die Höhe treiben sowie das Vertrauen in Währung und Wirtschaft ruinieren, nahmen 1959 Pläne für eine streng geheime Ersatzserie zur ersten Banknotenserie der Bundesbank Gestalt an. Produziert wurde diese Ersatzserie BBK II von 1963 bis 1974. Es handelte sich keineswegs um eine neue Währung. Die D-Mark hätte nämlich nicht durch eine andere Geldart ersetzt werden sollen, sondern die umlaufenden Banknoten – 1963 kursierten gut 25 Mrd. D-Mark in Scheinen – wären ausgetauscht worden mit der D-Mark-Ersatzserie.

14 Tage Zeit für Geldumtausch

Wäre es dazu gekommen, hätte alles ganz schnell gehen müssen: Nur 14 Tage hätten die Bürger Zeit gehabt, bis die bisherigen Banknoten ihre Gültigkeit verloren hätten. Über Presse, Funk und Fernsehen wären sie dazu aufgerufen worden, ihre Geldscheine in Banken und Sparkassen umzutauschen. Von Cochem und Frankfurt wären zuvor die Ersatzscheine zu den Landeszentralbanken geschafft und weiter an die in deren Zuständigkeitsbereich befindlichen Finanzinstitute verteilt worden.

Die Scheine der Ersatzserie sahen den Originalen auf der Vorderseite sehr ähnlich, doch die Rückseite war gänzlich anders gestaltet. Auf dem Hunderter beispielsweise war auf Umlauf- wie Ersatzserie der Kosmograf Sebastian Münster zu sehen, wenn auch im Detail Unterschiede bestanden. Auf der Rückseite fand sich in der Ersatzserie jedoch kein Bundesadler, sondern ein grafisches Muster.

Mehr als 18.000 Geldkartons

Im Cochemer Bunker stapelten sich insgesamt 18.354 Kartons bis unter die Decke, jeder mit 20.000 Scheinen gefüllt, entweder zu 10, 20, 50 oder 100 Mark. 5- und 500-D-Mark-Scheine waren in der Notfallvariante nicht vorgesehen.

In Abertausenden solcher Kartons lagerten für den Notfall Ersatznoten im Nennwert von 14,5 Mrd. D-Mark.

Prüfer rückten aus Frankfurt an

Der Bau der Bunkeranlage begann 1962, was im Schiefergestein auch mit Sprengungen verbunden war. Den Anwohnern wurde erzählt, dass für das Schulungs- und Erholungsheim der Bundesbank Schutzräume geschaffen würden. In Zeiten des Kalten Krieges war der Bunkerbau unter öffentlichen Einrichtungen gängige Praxis. Von 1966 an wurde das Geld zu unregelmäßigen Zeiten angeliefert. Nur ganz wenige Eingeweihte wussten überhaupt, dass unter der Bildungs- und Freizeiteinrichtung in Cochem Milliardenwerte für den Notfall liegen. Zu ihnen soll unter anderen das Direktorium der Bundesbank gehört haben sowie einige Prüfer aus der Zentrale in Frankfurt, die in unregelmäßigen Abständen zur Kontrolle des Geldes anrückten.

Schreibmaschinen statt IT: Hier wären Bundesbank-Bedienstete im Fall des Falles ihrer Arbeit nachgegangen.

Spartanisch eingerichtet

Im Fall des Falles hätten im Bunker bis zu 80 Bundesbank-Beschäftigte gearbeitet. Für sie gab es äußerst spartanisch eingerichtete Arbeits- und Schlafräume. Da nur 36 Betten zur Verfügung standen, hätte in Schichten geschlafen werden müssen. Auch ein Arztzimmer war vorhanden, eine Küche, ein Waschraum und eine Herrentoilette. Was in der Bauplanung keine Rolle spielte, war eine Damentoilette.

Diese Betten samt braunen Decken mit der Aufschrift "Bundeseigentum" stehen im Bunker. Gebraucht wurden sie zum Glück nie.

Geschreddert und verbrannt

Zum Ernstfall kam es glücklicherweise nie, so dass die Einrichtung einzig der Verwahrung der Geldscheine diente. 1988, noch vor dem Fall der Mauer, wurde die Vernichtung der Ersatzserie beschlossen. Bis Anfang 1989 waren die Banknoten herausgeschafft, geschreddert und verbrannt.

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