Commerzbank

Ziemlich gutes Timing

Die Commerzbank überrascht mit einem personellen Coup: Ex-Bundesbankpräsident Jens Weidmann soll ab der Hauptversammlung im Frühsommer in Nachfolge von Helmut Gottschalk den Aufsichtsrat leiten.

Ziemlich gutes Timing

Wenn bei der Commerzbank über Personalien berichtet wurde, dann waren das in den zurückliegenden drei Jahren vor allem prominente Abgänge. Im Vorstand nahmen Michael Mandel, Roland Boekhout und Vorstandschef Martin Zielke den Hut, Jörg Hessenmüller folgte. Sabine Schmittroth ist auf dem Sprung, Marcus Chromik hat seinen Abschied angekündigt. Und mit Tanja Birkholz (Schufa), Edith Weymayr (L-Bank), Nikola Steinbock (Rentenbank), Ingrid Spletter-Weiß (Nord/LB) und Lioudmila Mathea (Helaba) verabschiedete sich eine ganze Reihe weiterer Führungskräfte aus der gelben Bank, um in Spitzengremien anderer Institute einzuziehen. Von einer Abwanderungswelle war in Kommentaren die Rede, von einem Exodus – und die Reputation der Bank litt darunter. Hinter vorgehaltener Hand spottete mancher am Finanzplatz darüber, wie viele Manager der Bank den Rücken kehrten.

Nun überrascht die Commerzbank mit einem personellen Coup: Ex-Bundesbankpräsident Jens Weidmann soll ab der Hauptversammlung im Frühsommer in Nachfolge von Helmut Gottschalk den Aufsichtsrat leiten. Gerade vor dem Hintergrund des personellen Aderlasses in der jüngeren Vergangenheit ist diese Personalie für die zweitgrößte deutsche Privatbank ein doppelter Gewinn. Denn erstens kann die gelbe Bank damit den Zweifeln, ob sie noch attraktiv genug ist, um erstklassige Führungskräfte für sich zu gewinnen, etwas entgegensetzen. Und zweitens scheint Weidmann gerade für diesen Posten in besonderer Art geeignet. Denn als Präsident der Bundesbank hat Weidmann wiederholt mit der Bank zu tun gehabt. Zudem war er just zum Zeitpunkt des Einstiegs des Bundes in die Commerzbank im Bundeskanzleramt. Kurzum: Ihm ist weder die Commerzbank fremd – noch ihr größter Aktionär, der Bund.

Zugleich ist das Timing ziemlich gut: Die Commerzbank hat gerade über das beste Quartal seit einem Jahrzehnt berichtet, wobei die Bank dabei natürlich kräftig von den steigenden Zinsen profitiert hat. Wie nachhaltig sich die Aufwärtsbewegung erweisen wird, ist noch nicht ausgemacht, schließlich drohen gerade kleineren Unternehmen schwere Zeiten. Das dürfte auch die „Mittelstandsbank“ zu spüren bekommen. Insofern ist der Augenblick für den amtierenden Aufsichtsratschef geeignet, um seinen Rückzug anzukündigen – schließlich scheint den Banken noch die Sonne ins Gesicht. Andererseits: Weidmann hatte bis Ende 2021 noch als Bundesbankchef bankaufsichtliche Aufgaben. Viel früher als nächsten Mai hätte er wohl kaum bei einem privaten Finanzkonzern anheuern dürfen, ohne dass eine öffentliche Debatte über eine angemessene Cooling-off-Periode entbrannt wäre.

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