LeitartikelBondmärkte

Zugreifen und Renditen sichern!

Die Anleger greifen an den Bondmärkten zu und sichern sich die gegenwärtigen Renditen. Diese werden sie im Jahresverlauf wohl nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn wirtschaftliche Abschwächung steht an und damit Leitzinssenkungen.

Zugreifen und Renditen sichern!

Zinsmärkte

Zugreifen und Renditen sichern!

Anleger greifen bei Bonds zu und sichern sich Renditen. Denn im Jahresverlauf werden sie diese Sätze wohl nicht mehr bekommen.

Von Kai Johannsen

Zugreifen und Renditen sichern! Wer dieser Tage das Emissionsgeschehen am europäischen Anleiheprimärmarkt beobachtet und die prall gefüllten Orderbücher sieht, kann schon den Eindruck gewinnen, dass die internationalen Bondanleger genau nach dieser Devise derzeit handeln: Historisch vergleichsweise hohe Renditen und Spreads auf längere Zeit festzurren und damit auf der sicheren Seite sein. Denn im weiteren Jahresverlauf wird man diese Niveaus von Renditen und wahrscheinlich auch die Spreads wohl nicht mehr wiedersehen. Denn am Ende des Jahres dürfte der Markt auf merklich niedrigeren Sätzen angekommen sein – wohlgemerkt aus heutiger Perspektive.

Aber warum ist mit niedrigeren Zinsniveaus, Renditen und Spreads in diesem Jahr zu rechnen? Aus zwei Gründen. Zum einen erwartet am Kapitalmarkt kaum einer, dass sich die Inflation in den großen Volkswirtschaften in diesem Jahr noch einmal zu jüngst gesehenen Hochs aufschwingen wird. Wer tatsächlich im Markt davon ausgeht, dass man in Europa bzw. der Eurozone noch einmal Teuerungsraten von 8, 9 oder sogar 10% sehen wird, wird derzeit nur belächelt. Der Kampf der internationalen Notenbanken gegen die Teuerung zeigt ihre Wirkung. Die Inflationsraten sind deutlich und kontinuierlich von ihren mehrjährigen Hochs zurückgekommen. Und wenn nun – wie jüngst bei den US-Inflationsdaten zu beobachten – mal von der Markterwartung nach oben abweichende Inflationszahlen hereinkommen, reagiert der Staatsanleihemarkt auch nicht mehr mit deutlich Renditeanstiegen: Es geht ein, zwei, drei Basispünktchen nach oben, dann greifen die Anleger wieder zu, und der Markt legt in Sachen Bondrenditen wieder den Rückwärtsgang ein. So jüngst gesehen.

Zum anderen stellen sich die Akteure am Bondmarkt seit geraumer Zeit auf eine wirtschaftliche Abschwächung ein. Die Leitzinserhöhungen zeigen ihre Wirkung in zweierlei Hinsicht. Erstens führen sie die Teuerungsraten zurück. Zweitens belasten sie die Volkswirtschaft, d.h. Staat, Unternehmen und private Haushalte bekommen die gestiegenen Refinanzierungskosten zu spüren. Bei den privaten Haushalten ist dies am besten ablesbar an den Immobilien- und Baufinanzierungen. Zahlreiche Bauprojekte werden aufgeschoben oder gar ganz zu den Akten gelegt, da sich Häuslebauer den Immobilienwunsch schlichtweg aus finanzieller Hinsicht nicht mehr leisten können. Die höheren Refinanzierungskosten aufgrund der Zinsanstiege belasten in gleichem Ausmaß auch staatliche Stellen, Banken und Unternehmen. Das schafft also Druck auf der Kostenseite und schmälert letzten Endes Gewinne. Im Ergebnis ist eine konjunkturelle Schwäche zu erwarten.

Neue Töne kommen auch aus der Europäischen Zentralbank. EZB-Vize Luis de Guindos hat dieser Tage die Ansicht geäußert, dass es in der der Eurozone mit der Wirtschaft nun bergab gegangen sein könnte. Es könnte zu einer – wenn auch technischen – Rezession im vierten Quartal gekommen sein. Durchaus möglich also, dass es in der EZB bei den Verantwortlichen zu einem Umdenken derzeit kommt und in den kommenden Wochen und Monaten die Inflationsbekämpfung in den Hintergrund tritt, da der angestrebte Erfolg nun mittlerweile eingetreten ist und der Fokus nun mehr auf die Wirtschaftsentwicklung wandert.

Sollte die Wirtschaft in der Eurozone, aber auch in anderen großen Volkswirtschaften wie der der USA in den kommenden Wochen und Monaten eher nach unten weisen, wird wohl ein geldpolitisches Gegensteuern der Zentralbanken erforderlich werden. Leitzinssenkungen stehen dann auf dem Programm. Das Ausmaß dieser Zinssenkungen, von denen der Bondhandel in diesem Jahr zweifelsohne ausgeht, ist nur von einem Aspekt abhängig: Erreichen die Volkswirtschaften eine weiche Landung oder kommt es zu einem harten Aufprall? Der Bondmarkt wird wie in der Vergangenheit die Entwicklung antizipieren, d.h. die Marktakteure werden sich entsprechend positionieren. Die Renditestruktur ist in der Eurozone nach wie vor invers. Das bedeutet: Der Markt setzt auf konjunkturelle Abschwächung und damit auf sinkende Bondrenditen. Also, zugreifen und die jetzt noch hohen Anleiherenditen und Spreads noch sichern, bevor es zu spät ist.

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