Fondsgeschäft

Mit kleiner Absatzdelle durch das Coronajahr

Die deutsche Fondsbranche hat aus Sicht des Branchen-Präsidenten Alexander Schindler ein „erstaunlich gutes Jahr“ absolviert. Mit 102 Mrd. Euro zeigt sich der Absatz robust, allerdings blieb die Branche damit jedoch hinter dem Vorjahr zurück. Während Publikums- und Spezialfonds gefragt waren, zogen Anleger Milliarden aus Mandaten ohne Fondshülle ab.

Mit kleiner Absatzdelle durch das Coronajahr

jsc Frankfurt

Die deutsche Fondsbranche hat den Kursrutsch im März rasch verdaut, zugleich aber das hohe Neugeschäft einiger Vorjahre trotz der Geldschwemme auf den Konten privater Haushalte verfehlt. Von Anfang Januar bis Ende Dezember sammelte die deutsche Fondsbranche annähernd 102 Mrd. Euro ein und damit 13% weniger als im Vorjahr, wie der deutsche Fondsverband BVI auf der Jahrespressekonferenz am Dienstag berichtet hat. Werden nur die Zuflüsse in reine Fonds gezählt, hat die Branche zwar mit netto 127 Mrd. Euro das drittstärkste Absatzjahr absolviert, wie der Verband hervorhob. Doch weil institutionelle Investoren stärker als in den meisten Vorjahren Mittel aus freien Mandaten, die ohne Fondshülle verwaltet werden, abgezogen haben, erreichte das Neugeschäft insgesamt im langjährigen Vergleich ein lediglich mittelmäßiges Niveau.

Insgesamt deuten die Zahlen auf die Reife der Branche hin: Denn in absoluten Zahlen ist das Neugeschäft der Branche Jahr für Jahr tendenziell hoch, relativ zum verwalteten Fondsvermögen aber deutlich geringer als früher. Gemessen am verwalteten Vermögen, das Anfang 2020 bei 3,39 Bill. Euro lag, erreichen die Nettomittelzuflüsse im vergangenen Jahr ein Niveau von 3,0%. Das Vermögen stieg im Jahresverlauf an und lag per Ende Dezember bei 3,85 Bill. Euro. Im zurückliegenden Jahrzehnt pendelte das Neugeschäft, bezogen auf das Vermögen, zwischen 1,6% im Jahr der Eurokrise 2011 und 7,9% im Jahr 2015, als die EZB ihr Anleihenkaufprogramm lancierte und Kurse und Neugeschäft beflügelte.

Zum Vergleich: In den 1990er Jahren hat die Branche, die damals in ihrer Bedeutung hinter der Versicherungsbranche zurückstand und als Anhängsel der Banken wahrgenommen wurde, in Relation zum Fondsvermögen deutlich mehr Geld eingesammelt, und zwar zwischen 9,9% im Jahr 1996 und 21,7% im Jahr 1994. Die Dotcom-Jahre 1999 und 2000 liegen mit 116 und 123 Mrd. Euro auch in absoluten Zahlen über dem zuletzt erzielten Wert, auch wenn damalige und heutige Angaben wegen Unterschieden in der Statistik nicht exakt vergleichbar sind.

Kulturwandel dank Nullzinsen

BVI-Präsident Alexander Schindler betonte am Dienstag die Beständigkeit, die sich im Neugeschäft der Branche zeige. Zwar haben private Haushalte im Coronajahr häufiger zu Aktien gegriffen als zu Investmentfonds, wie er ausführte. Doch auf lange Sicht sammelten Fonds mehr Geld ein. Der Manager, der auch Vorstandsmitglied der Fondsgesellschaft Union Investment ist, hob die Bedeutung der Beratung im Vertrieb und der Fondssparpläne hervor. Mittlerweile hätten deusche Sparer verstanden, „auf regelmäßiger, idealerweise monatlicher Basis in einem gut diversifizierten Produkt“ zu investieren, sagte er. Während des Kursrutsches zu Beginn der Coronakrise im März seien viele private Anleger „erstaunlich gelassen“ geblieben, betonte er. Die kaum rentierlichen Sparbücher stärkten das Interesse der Anleger an den Kapitalmärkten. „Die niedrigen Zinsen schaffen also das, woran jahrelange Finanzbildung oder die Förderung der Aktienkultur gescheitert sind“, erklärte er.

Der wesentliche Beitrag zum Neugeschäft stammt aber von institutionellen Investoren, darunter vor allem Altersvorsorgeeinrichtungen und Versicherer. Ähnlich wie in den Vorjahren entfällt daher auf offene Spezialfonds mit netto 80 Mrd. Euro das Gros der Zuflüsse, doch auch Publikumsfonds, die häufig an private Sparer verkauft werden und dabei höhere Margen als Spezialfonds abwerfen, haben mit 43 Mrd. Euro insgesamt hohe Zuflüsse erzielt. Geschlossene Fonds trugen mit annähernd 5 Mrd. Euro nur einen kleinen Beitrag zum Nettoneugeschäft bei, während aus freien Mandaten, die ohne Fondsmantel verwaltet werden, 25 Mrd. Euro abflossen.

Eine besondere Rolle spielte das vierte Quartal, in dem fast alle Abflüsse aus freien Mandaten, aber auch ein hohes Neugeschäft mit Publikums- und mit Spezialfonds verzeichnet worden waren. 55 Mrd. Euro flossen von Anfang Oktober bis Ende Dezember in diverse offene Fonds – und damit deutlich mehr als im Vorjahresquartal, als 30 Mrd. Euro zusammengekommen waren. Im November hatten die Börsen an Fahrt gewonnen, als die Hoffnung auf eine rasche Impfung der Bevölkerung um sich griff und den Optimismus am Aktienmarkt schürte.

Im Publikumssegment, das der BVI nach Fondskategorien aufschlüsselt, liegen Aktienfonds mit 21 Mrd. Euro vorne. Die Mittel teilten sich dabei ungefähr hälftig auf ETFs und auf klassische Fonds auf. Mischfonds liegen mit einem Nettoabsatz von 10 Mrd. Euro nahezu auf Vorjahresniveau, aber weit unter dem Ergebnis einiger Vorjahre. Ungewöhnlich stark entwickelten sich mit 6 Mrd. Euro Geldmarktfonds, die in den vorangehenden Jahren fast keine Rolle mehr gespielt hatten. Die Vehikel werden vorübergehend von Investoren genutzt, so dass die hohe Nachfrage ein Indiz für eine Unentschlossenheit der Anleger in der Coronakrise darstellt. Immobilienfonds blieben mit 8 Mrd. Euro gefragt, obwohl hohe Bestände an Büroimmobilien der Fonds in der Coronakrise die Gefahr von Wertverlusten mit sich bringen.

Ergebnisse weit auseinander

Die Gesellschaften absolvieren das Jahr sehr unterschiedlich: Das Neugeschäft von Wertpapierpublikumsfonds dominiert Flossbach von Storch mit 10,7 Mrd. Euro, gefolgt von der DWS mit 8,6 Mrd. Euro und Amundi mit 7,1 Mrd. Euro. Allianz Global Investors (0,1 Mrd. Euro) und die Deka-Gruppe (0,5 Mrd. Euro) schnitten hier vergleichsweise schwach ab. Im Segment offener Publikums-Immobilienfonds dominiert jedoch die Deka-Gruppe mit 2,5 Mrd. Euro, gefolgt von Union Investment mit 2,3 Mrd. Euro. Im Spezialfondsgeschäft zählen im Wertpapiersegment wieder einmal Universal-Investment mit 27,8 Mrd. Euro und HSBC mit 13,7 Mrd. Euro zu den Platzhirschen, aber auch die Deka-Gruppe mit 15,7 Mrd. Euro. Die DWS und Metzler haben mit netto minus 14,3 Mrd. Euro und netto minus 10,4 Mrd. Euro in dem Segment hohe Abflüsse verzeichnet.