Verschiedene Ansätze

Nachhaltigkeit und ETFs – das perfekte Match?

Den „einen“ nachhaltigen Exchange Traded Fund kann es nicht geben. Denn beim Thema Nachhaltigkeit gibt es verschiedene Ansätze.

Nachhaltigkeit und ETFs – das perfekte Match?

Die Diskussion, inwieweit Finanzprodukte nachhaltig sein können, ist in vollem Gange: Während das Angebot von „grünen Fonds“, „ESG-Investments“ und ähnlich gelabelten Produkten über die vergangenen Jahre sehr stark wuchs, machten in der Branche zuletzt Greenwashing-Vorwürfe die Runde. Einige Produkte wurden hinsichtlich ihres ESG-Ratings sogar schon zurückgestuft – vor dieser Entwicklung waren auch ETFs nicht gefeit, die sich gerade für Privatanleger als kostengünstige und einfache Geldanlage etabliert haben. Können diese Produkte, die vermeintlich starr auf Indizes basieren, überhaupt „nachhaltig“ sein?

Die Antwort auf diese Frage hängt am Ende stark davon ab, was man unter „Nachhaltigkeit“ versteht. Denn bis heute fehlt es an einer einheitlichen und allgemeingültigen Definition, die klar wiedergibt, welche konkreten Faktoren dafür erfüllt sein müssen. Dennoch gibt die Regulatorik bereits heute Orientierungshilfen. Eine gute Hilfestellung bietet die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR), die klare Kriterien für Investmentprodukte sowohl im aktiv gemanagten als auch im passiven Umfeld festlegt. Eine weitere geeignete Richtschnur zur Definition von nachhaltigen ETFs liefert das BVI-Verbändekonzept, das vor allem für den deutschen Markt wichtig ist.

Nur ein Grundgerüst

Ist ein ETF nach einem dieser beiden Konzepte als nachhaltig eingestuft, können Investoren von einem guten nachhaltigen Grundgerüst in ihrem Investment ausgehen. Dennoch, es bleibt nur ein Grundgerüst. Es sind die Anleger selbst, die für sich entscheiden müssen, welche Nachhaltigkeitskriterien sie in ihren Investments erfüllt sehen wollen.

ETF-Anbieter orientieren sich bei der Frage zu nachhaltigen Index- bzw. ETF-Konzepten daher vor allem an den Bedürfnissen der Kunden. Sie achten genau darauf, was von Kundenseite mehrheitlich gefordert wird und wie diese Anforderungen umgesetzt werden können. Daraus ergeben sich unterschiedliche Indexkonzepte, die dann in ETFs als Anlageprodukt münden. Die Ansprüche vieler ETF-Kunden und Investoren unterscheiden sich mit Blick darauf, was „Nachhaltigkeit“ für sie bedeutet, und entwickeln dadurch eigene Anforderungen. Deshalb ist jeder einzelne Investor gefragt, was er als nachhaltig empfindet – und entscheidet somit selbst, welches Produkt seinen Kriterien entspricht. Ist Atomenergie nachhaltig oder nicht? Ist es vertretbar, Unternehmen aus der Erdgas-Branche bis zur vollständigen Nutzung wiedererneuerbarer Energien als Übergangslösung im Portfolio zu haben? Immerhin hat die EU- Kommission beide Energieträger – unter bestimmten Bedingungen – als „klimafreundlich“ eingestuft.

Dabei geht es bei Nachhaltigkeit gar nicht immer nur um das „E“ in ESG, sprich den ökologischen Aspekt. Während dieses Kriterium häufig die öffentliche Wahrnehmung von Nachhaltigkeit dominiert, sind „S“ und „G“, also soziale Faktoren und Fragen der guten Unternehmensführung mindestens genauso wichtig. Auf Seiten der Indexanbieter steht der Governance-Aspekt im Research sogar häufig am Anfang der Arbeit. Denn wie Analysen gezeigt haben, sind gut geführte Unternehmen weniger häufig in Skandale verwickelt als Unternehmen mit schlechter Governance-Wertung – erst im zweiten Schritt kommen dann die anderen Faktoren unter die Lupe.

Hinzu kommt, dass institutionelle Kunden wie Versicherungen und Pensionskassen feste Anlagerichtlinien haben, nach denen sie investieren müssen und von denen sie sich nicht entfernen dürfen. Aus Risiko-Rendite-Abwägungen ist hierbei ein niedriger Tracking Error nach wie vor sehr wichtig. Für diese Bedürfnisse werden Nachhaltigkeitsmethodologien eingesetzt, die nicht zu weit vom Mutterindex abweichen. Besonders strenge Ausschlusskriterien der Indizes beziehungsweise ETFs könnten in solchen Fällen unter Umständen zu weit gehen und für die Investoren ein Risiko hinsichtlich der Diversifikation bilden.

SRI-Konzepte

Andere Kundensegmente wiederum möchten ihre Portfolios so streng wie möglich nach Nachhaltigkeitskriterien gestalten. Oft greifen sie daher zu SRI-Konzepten (Socially Responsible Investing). Neben werte- und normbasierten Ausschlüssen wendet diese Nachhaltigkeitsmethodologie zusätzlich einen Best-in-Class-Ansatz an, durch den z. B. nur noch die 25% der Titel aus jedem Sektor berücksichtigt werden, die die besten ESG-Werte innerhalb ihres Sektors aufweisen. Dadurch weichen Investoren allerdings bewusst stärker vom Mutterindex ab und nehmen in Kauf, dass der Tracking Error größer wird. Auf der anderen Seite erwarten diese Investoren, dass sich dadurch die ESG-Scores deutlich verbessern.

Ein weiteres Kriterium, das durchaus mehr als nur ein technisches Detail ist, ist die Replikationsmethode des entsprechenden ETFs. Zwar können auch synthetisch nachbildende ETFs die Performance eines nachhaltigen Indizes sehr genau abbilden. Dennoch bleibt für Anleger unsicher, ob ihr Geld durch Swap-Geschäfte de facto nicht doch in die Aktien solcher Unternehmen fließt, die sie eigentlich explizit ausschließen möchten.

Schon lange auf dem Markt

ETFs, die gezielt Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, gibt es grundsätzlich schon seit vielen Jahren. Bereits seit 2011 entwickeln große Fondsanbieter wie UBS Asset Management aufgrund eines sich Stück für Stück entwickelnden Kundeninteresses nachhaltige ETFs. Doch besonders ein Ereignis 2015 hat die Nachfrage nach nachhaltigen passiven Anlage-Lösungen auf Kundenseite dauerhaft geweckt: der VW-Abgasskandal. Dieser Skandal entwickelte sich schnell zu einem umfassenden Umwelt-Thema, stellte aufgrund der Verwicklung des Unternehmensvorstands in den Skandal aber auch Fragen nach Richtlinien guter Unternehmensführung.

Bis dahin waren nachhaltige ETFs noch eher ein Randthema. SRI-Konzepte schliefen den berühmten „Dornröschenschlaf“. Doch der VW-Abgasskandal sorgte für ein Momentum im Bereich des nachhaltigen Investierens. Viele Kunden fragten plötzlich gezielt nach, in welchen Indizes die Aktie von VW vertreten war oder herausgefiltert wurde. Anbieter von SRI-konformen Produkten konnten bereits zu dieser Zeit Investitionslösungen anbieten, die die Aktie von VW aufgrund ihrer strengen Nachhaltigkeitskriterien nicht in den verwendeten Indizes enthalten hatten.

Auch wenn ETFs gemeinhin als „passives“ Investment gelten, heißt dies nicht, dass das nachhaltig orientierte Engagement der Investoren unberücksichtigt bleibt. Erfreulicherweise nutzen viele ETF-Anbieter die Stimmrechte ihrer Anleger mittlerweile, um im Rahmen ihrer Stewardship-Programme konkret Einfluss auf Unternehmensführungen zu nehmen und hier Einfluss im Sinne der Richtlinien zu nehmen, die durch die Strategie des eigenen ETFs vorgegeben sind.

Zurückkommend zur Ausgangsfrage, inwieweit ETFs überhaupt nachhaltig sein können, bleibt festzuhalten: Den „einen“ nachhaltigen ETF gibt es nicht – und kann es auch schwerlich geben, wenn man sich vor Augen hält, wie weit Definitionen von Nachhaltigkeit noch auseinandergehen. Dennoch – oder gerade deswegen – ermöglicht aber gerade das inzwischen sehr große Angebot an ETFs mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitsansätzen und -strategien jedem Kunden, einen ETF finden zu können, der seinen Ansprüchen und Vorstellungen von Nachhaltigkeit entspricht. Langfristig wird das Angebot noch weiter wachsen. Schon heute beobachten wir, dass ein wesentlicher Teil der Nettozuflüsse in nachhaltige Produkte geht.

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