Warum die Aktie der Deutschen Börse 30 Prozent verloren hat
Warum die Aktie der Deutschen Börse 30 Prozent verloren hat
Geld oder Brief
Katerstimmung bei Deutsche Börse
Die Aktie der Deutschen Börse ist seit Mai im freien Fall
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Vom Investorenliebling und Börsenstar zum Sorgenkind und großen Verlierer im Dax: Seit ihrem Allzeithoch im Mai dieses Jahres ist der Aktienkurs der Deutschen Börse trotz guter Quartalszahlen und euphorischen Analystenschätzungen um 30% gefallen – und keiner versteht so recht, warum eigentlich?
Seit ihrem Allzeithoch Anfang Mai bei 294,30 Euro befindet sich der Aktienkurs der Deutschen Börse im Sinkflug. Mitte November notierte das Paper nur noch bei rund 200 Euro – ein Kursrückgang um gut 30%, womit die Deutsche Börse in diesem Zeitraum zu den größten Verlierern im Dax zählt. Und das, obwohl der Börsenbetreiber zufriedenstellende Quartalszahlen präsentierte, bei den Jahreszielen im Plan liegt und die Mehrheit der Analysten weiterhin neutral bis positiv gestimmt sind.
Andreas Vollmer von Bernstein Autonomous schrieb zuletzt beispielsweise, das Geschäftsmodell der Deutschen Börse sei wohl eines der besten in der europäischen Coverage des Research-Hauses. Der Analyst verweist dabei auf die operative Marge von rund 50%, den hohen Marktanteil in attraktiven Märkten und die wichtige Rolle bei strategischen Projekten wie beispielsweise der Debatte um eine europäische Kapitalmarktunion. Doch irgendwie sei diese Geschichte bei Investoren angesichts des starken Kursrückgangs nicht verfangen.
Verhängnisvoller Liberation Day
Ein wichtiges Puzzle-Stück bei der Analyse der schwachen Aktienkursentwicklung der Deutschen Börse in diesem Jahr ist der „Liberation Day“ am 2. April, als US-Präsident Donald Trump ankündigte, die Welt mit Zöllen zu überziehen. An den Börsen sorgte die daraus resultierende Angst vor Handelskriegen zunächst für hohe Volatilität und bescherte der Deutschen Börse im ersten und zweiten Quartal eine Sonderkonjunktur im Handelsgeschäft. Rufe nach höheren Gewinnzielen für das Gesamtjahr wurden laut und trieben die Aktie innerhalb weniger Monate auf ihr Allzeithoch.
Laufendes Kartellverfahren
Rückblickend schuf die Euphorie unter Anlegern für die Aktie der Deutschen Börse aber vor allem eines: Fallhöhe. Als sich die Zolldebatte etwas beruhigte, nahm die Volatilität an den Börsen ab – und mit ihr verpuffte auch die Euphorie der Anleger. Diese Marktkorrektur bekamen auch andere Börsenbetreiber wie die London Stock Exchange (LSE) oder die Euronext zu spüren, deren Aktienkurse in der zweiten Jahreshälfte ebenfalls nachgaben. Doch allein damit lässt sich die schwache Kursentwicklung der Deutschen Börse nicht rechtfertigen.
Denn Fakt ist auch, der Aktienkurs der Deutschen Börse steht derzeit niedriger steht als zum Jahresstart. Nun lässt sich freilich nicht auf den Tag genau festlegen, wann der Hype seinen Anfang nahm. Doch die größten Übertreibungen aus dem Frühjahres-Hype dürften inzwischen bereinigt sein. Dass die Aktie weiter sinkt, könnte unter anderem mit der Nachricht zusammenhängen, dass die EU-Kommission ein Kartellverfahren gegen die Deutsche Börse eröffnet hat, was den Börsenbetreiber im Kerngeschäft trifft. Auch wenn Analysten wie Andreas Vollmer die potenziell negativen wirtschaftlichen Folgen für sehr überschaubar halten.
Darüber hinaus schürte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit seiner Forderung nach einer europäischen Börse als Gegengewicht zur Wall Street Spekulationen rund um eine Konsolidierung von Europas Börsen. Der eine oder andere Anleger mag sich dunkel an das Jahr 2017 erinnern, als der geplante Zusammenschluss zwischen der Londoner Börse und der Deutschen Börse scheiterte.
Launisches Handelsgeschäft
Rückblickend war der gescheiterte Merger der Grundstein für die anschließende Kurs-Rallye der Deutschen Börse, die seitdem versucht, ihr Geschäftsmodell unabhängiger vom launischen Handelsgeschäft zu machen. Dazu übernahm die Deutsche Börse den dänischen Spezial-Software-Anbieter Simcorp, um den Anteil der jährlich wiederkehrenden Erlöse am Gesamtumsatz zu erhöhen.
Ein strategischer Schritt, der sich auszahlt: In einem für das Handelsgeschäft schwierigen dritten Quartal und einem bereinigten Nettoerlöswachstum von nur 7%, wuchs das bereinigte Ebitda dennoch um 16%. Auf dem nächsten Kapitalmarkttag am 10. Dezember wird CEO Stephan Leithner versuchen, die Anleger wieder auf diese Geschichte einzuschwören.
