Corona

Per Stufenplan zur Öffnung

Trotz der rückläufigen Infektionszahlen in Deutschland wollen Bund und Länder den Lockdown von Schulen, Geschäften und öffentlichem Leben voraussichtlich über den 14. Februar hinaus verlängern. Ein Stufenplan aus dem Kanzleramt bietet Perspektiven für die Zeit der ersten Lockerungsschritte.

Per Stufenplan zur Öffnung

Von Angela Wefers, Berlin

Verbunden mit einem Appell erinnerte der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, einen Tag vor der heutigen Bund-Länder-Konferenz die politisch Verantwortlichen an ihre Versprechen einer mittelfristigen Strategie. „Die deutsche Industrie benötigt einen verlässlichen Fahrplan mit einheitlich anwendbaren Kriterien für eine sichere und faire Öffnung der Wirtschaft, wo immer dies epidemiologisch verantwortbar ist“, konstatierte Russwurm. Nur so ließen sich die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Eindämmungsmaßnahmen auf ein Minimum reduzieren. Russwurm wandte sich in seinem Appell gegen „weitere Kurzfristmaßnahmen und Kleinstaaterei“.

Klare Perspektiven, auf die die Industrie hofft, wird es auch am heutigen Mittwoch voraussichtlich nicht geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel berät mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer über eine Verlängerung der aktuellen Beschränkungen in der Coronakrise bis Ende Februar. Ein konkretes Datum lässt die Beschlussvorlage aus dem Kanzleramt offen.

Mutation macht Sorgen

Bislang galt die Marschroute, eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Infizierten je 100000 Einwohnern zu erreichen. Die Zahlen sind von einem Spitzenwert von fast 200 im Bundesdurchschnitt auf etwas über 70 gesunken. Das Ziel scheint nah, wäre da nicht die hierzulande bereits nachgewiesene britische Mutation des Virus. In Ländern wie Portugal stiegen die Zahlen dadurch explosionsartig – eine Sorge, die auch die deutsche Politik umtreibt. Erschwerend für die Entscheidungsfindung kommt hinzu, dass die Infektionslage in einzelnen Bundesländern so stark variiert, dass bundesweit einheitliche Öffnungsschritte kaum zu realisieren sind. Doch unterschiedliche Geschwindigkeiten etwa bei der Öffnung von Geschäften oder Restaurants laden zu Einkaufs- und Vergnügungstourismus über nicht zu kontrollierende Landesgrenzen hinweg ein. Der BDI plädiert dafür, die Wirtschaft schrittweise und regional differenziert, aber stets „entlang eines bundesweit einheitlichen und evidenzbasierten gesundheitspolitischen Rahmens“ zu öffnen. Die Industrie kann nicht nachvollziehen, warum in Bundesländern mit vergleichbarer Inzidenz unterschiedliche Maßnahmen greifen. „Es ist höchste Zeit, Hygiene-, Test- und Impfstrategien bundesweit zu optimieren, besser miteinander zu verzahnen und einheitliche Kriterien für ein regional differenziertes Vorgehen festzulegen“, sagte Russwurm.

Immerhin hat sich zu den Stufenplänen für eine schrittweise Öffnung aus verschiedenen Bundesländern eine Vorlage aus dem Kanzleramt für das heutige Treffen hinzugesellt. Unterschieden werden darin drei Fallgruppen für Infektionslagen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von weniger als 35, 20 und 10 Fällen je 100000 Einwohner plus „dynamische Faktoren“. Konkrete Regelungen betreffen die Erlaubnis zur Öffnung von Geschäften, für körpernahe Dienstleistungen, Gastronomie und Hotellerie, Kulturveranstaltungen, Sporteinrichtungen und Treffen in privaten Räumen. So sollen bei einer Inzidenz von bis zu 35 Infizierten Kontakte auf fünf Personen aus zwei Haushalten beschränkt bleiben, bei einer Inzidenz bis 20 auf zehn Personen aus drei Haushalten und bei einer Inzidenz von bis zu 10 auf zehn Personen ohne Beschränkung bei den Haushalten.

Hoffnungen setzen Bund und Länder auf die fortschreitenden Impfungen, um mehr Freiheit zurückzugewinnen. In der Beschlussvorlage für das heutige Treffen bekräftigen sie ihren Optimismus, bis zum Ende des Sommers allen eine Impfung anbieten zu können. Für Be­wohner von Alten- und Pflegeheimen samt Personal dürfte dies in Kürze erledigt sein.