Peer Steinbrück

75 und noch immer schlagfertig

Ein Diplomat wollte Peer Steinbrück wohl nie werden. Da hätte dem früheren Bundesfinanzminister, der Deutschland sicher durch die Finanzkrise steuerte, seine ungebrochene Scharfzüngigkeit im Weg gestanden.

75 und noch immer schlagfertig

Von Angela Wefers, Berlin

Mit dem Wahlsieg der SPD und dem Einzug von Olaf Scholz ins Kanzleramt trat auch ein Politiker wieder in die Öffentlichkeit, dem dieser Weg 2013 als Kanzlerkandidat verwehrt geblieben war: Peer Steinbrück. Gefragt ist er als scharfsinniger und scharfzüngiger Analyst der neuen politischen Lage. Setzt bei manchem die Altersmilde ein, hat Steinbrück, der am 10. Januar sein 75. Lebenjahr Lebensjahr vollendet, an verbaler Schlagkraft nichts verloren. Wer einen „raushaut“, sehe sich heutzutage mit einem „Shitstorm“ überzogen, sagte er jüngst dem NDR in einem Porträt über den SPD-Kanzler. „Das Ergebnis sind Politiker, die rundgelutscht sind wie ein Kiesel.“

Zur letzteren Sorte gehörte Steinbrück nie – sei es, weil er im Steuerstreit mit der Schweiz androhte, die Kavallerie satteln zu lassen, oder weil er sich eine diplomatische Beschwerde von Burkina Faso einhandelte, als er dessen Hauptstadt Ouagadougou wohl aus onomatopoetischen Gründen in einen wenig gelungenen Zusammenhang brachte.

Meriten hat sich Steinbrück in der Finanzkrise 2008/2009 verdient. Mit seiner Beherztheit und Gradlinigkeit und auch viel Geld steuerte er als Bundesfinanzminister Deutschland durch diese folgenschwere Wirtschaftskrise. Ein milliardenschweres Konjunkturprogramm federte das Schlimmste für die deutsche Wirtschaft ab. Das globale Finanzsystem war so fragil, dass Steinbrück und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Oktober 2008, um weitere Bankenpleiten zu verhindern, den deutschen Sparerinnen und Sparern versprachen, „dass ihre Einlagen sicher sind“.

Fachmann im Ministerium

Steinbrück übernahm das Ministerium 2005 mit dem Wahlsieg von Merkel. Er behielt es bis 2009, als die Union nach der Wahl mit der FDP koalierte. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts war unter Steinbrück auf gutem Weg, bis die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung machte. In seine Amtszeit fallen die große Unternehmenssteuerreform 2008, der seitdem keine weitere veritable gefolgt ist, und die Entscheidung über die Einführung der Abgeltungsteuer. Mit Steinbrück war – kein Regelfall – ein Fachmann in das Ministerium eingezogen. Der gebürtige Hamburger mit dänischstämmiger Mutter ist Volkswirt und Sozialwissenschaftler Kieler Prägung. Mehr als zehn Jahre war er nach dem Studium in verschiedenen Positionen in Bonn tätig, im Bundesbau- und im Bundesforschungsministerium. Seine Frau, eine Rheinländerin und Vollblutlehrerin, lehrte am dortigen Gymnasium.

1985 wechselte Steinbrück in die Landesregierung nach Düsseldorf und wurde kurz darauf Büroleiter des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau. 1990 zog es ihn wieder in den Norden, wo er zunächst Staatssekretär und 1993 Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein wurde. Mit dem Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen von Rau zu Wolfgang Clement 1998 wurde Steinbrück zunächst Wirtschaftsminister, dann Finanzminister und 2002 Ministerpräsident. 2005 ging die Landtagswahl verloren. 2011 verfasste der passionierte Schachspieler mit Altkanzler Helmut Schmidt ein Buch, „Zug um Zug“, um Anlauf für die Kanzlerkandidatur 2013 zu nehmen. Mit der Niederlage ist er heute mehr als versöhnt.