Alexander Medwedjew - der Mann, der alles wusste
Von Eduard Steiner, MoskauEs war vor gut zehn Jahren. Schon damals hing der Haussegen zwischen dem russischen Gaskonzern Gazprom und der EU schief. Schon damals musste immer wieder auch Konzernchef Alexej Miller selbst mit Vertretern der europäischen Gasindustrie und Energiepolitik konferieren. Und dabei, so erzählten Konzerninsider im Gespräch, sei es schon mal vorgekommen, dass Miller in Detailfragen nicht weiterwusste und seinen Stellvertreter Alexander Medwedew herbeiziehen musste.Medwedjew wusste dem Vernehmen nach praktisch alles in Bezug auf den russischen Konzern. Vor allem im Exportgeschäft, das er von 2002 bis 2014 leitete, konnte dem 63-Jährigen, der in den 1990er Jahren gemeinsam mit dem heutigen Chef der Gazprombank Andrej Akimow zuerst die sowjetische Auslandsbank Donau-Bank und später die auf Handelsfinanzierung spezialisierte Firma IMAG in Wien führte, niemand das Wasser reichen. PR-Strategen zufolge war er nahezu der einzige Gazprom-Manager, der den Umgang mit Medien professionell beherrschte und obendrein neben Englisch auch noch Deutsch sprechen konnte.Nun wurde er recht abrupt und ohne Dankesworte entlassen. Gemeinsam mit ihm wurde zu Wochenbeginn noch ein zweiter Stellvertreter Millers abgesetzt: Waleri Golubjow, der das Inlandsgeschäft und den Handel mit den GUS-Staaten verantwortete.Dass die Entlassungen auch mit dem derzeitigen Skandal der Unterschlagung von umgerechnet 400 Mill. Euro zu tun haben, gilt als fraglich. Schließlich standen die dabei inkriminierten Personen nicht im direkten Einflussbereich der beiden Entlassenen. Faktum ist vielmehr, dass gerade Medwedjew nie zur Seilschaft von Miller gehörte und ein eigenes Machtzentrum darstellte. Nicht zufällig arbeitete Miller schon lange an Medwedjews Demontage und hat 2014 die operative Exporttätigkeit teils in die Hände seines Gefolgsmannes Michail Sereda und der Exportchefin Jelena Burmistrowa gelegt.Trotz allem sind Medwedjews Verdienste für Gazprom nicht kleinzureden. Gerade seine persönlichen Freundschaften mit Vertretern westlicher Konzerne wie Wintershall oder OMV haben mit dazu beigetragen, dass das Exportgeschäft über alle Jahre florierte. Und sein guter Kontakt zu EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist wesentlich dafür verantwortlich, dass Gazprom im großen, sechsjährigen Kartellverfahren ziemlich ungeschoren davonkam.2009 war Medwedjew vom “Time”-Magazin als einziger Russe in die Liste der einflussreichsten 100 Personen der Welt aufgenommen worden. Künftig fungiert der Eishockeyliebhaber als Chef des Fußballclubs Zenit St. Petersburg.