Bellemare stutzt Bombardier die Flügel
Von Lisa Schmelzer, FrankfurtAlain Bellemare hat in seiner Amtszeit als CEO des Transportkonzerns Bombardier in der Flugzeugsparte der Kanadier kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Kommt es nun noch zum Verkauf des Regionaljet-Programms CRJ an Mitsubishi – Gespräche wurden am Mittwoch bestätigt -, hätte sich Bombardier nahezu vollständig aus dem Zivilluftfahrtgeschäft zurückgezogen. Übrig bleiben nur die Businessjet-Sparte und die Beteiligung von rund 31 % an dem an Airbus abgegebenen C-Series-Geschäft, das beim neuen Mehrheitseigentümer mittlerweile unter A220 firmiert. Noch vor vier Jahren lieferte das Flugzeuggeschäft etwa die Hälfte der konzernweiten Bombardier-Umsätze von insgesamt rund 20 Mrd. Dollar ab.Unterm Strich dürfte der 57-Jährige genau den Job erledigen, für den er im Jahr 2015 geholt worden war. Damals hatte der neue CEO dem Unternehmen, das nach Milliardeninvestitionen in neue Flugzeugprogramme in eine Schieflage geraten war, einen fünfjährigen Restrukturierungsprozess verordnet. Bellemare kürzte Tausende von Stellen, kappte die Dividende, holte neue Investoren an Bord und fährt seitdem einen strengen Sparkurs.Gegen seinen neuen Job hatte sich der in Montreal geborene Sohn eines Schriftsetzers und einer Grundschullehrerin zunächst gesträubt. Im Januar 2015, Bellemare hatte gerade seine Stelle als Leiter der Luft- und Raumfahrtabteilung von United Technologies verloren, rief ihn sein Freund Pierre Beaudoin an, damals CEO von Bombardier. Der steckte mit seiner Firma in einer Krise, weil Investitionen in die neue Flugzeug-Baureihe C Series dem Konzern einen Milliardenverlust bescherten. Zudem hatte er den Widerstand der Platzhirsche Airbus und Boeing gegen den neuen Konkurrenten unterschätzt, die den Kanadiern mit ihren Weiterentwicklungen der Modelle A320 und Boeing-737 das Leben schwermachten. Bellemare lehnte zunächst ab, als CEO in die Bresche zu springen, gab aber einige Wochen später nach. Damit rückte erstmals in der Geschichte des 1942 gegründeten Unternehmens ein Manager an die Konzernspitze, der nicht zur Familie der Mehrheitsgesellschafter, den Familien Beaudoin und Bombardier, gehört.Nachdem es zunächst so aussah, als würde der neue Konzernchef auf das Luftfahrtgeschäft fokussieren und das Engagement im Zugbau zurückfahren, steuerte er schnell um und trennte sich nach und nach von den Teilen der Zivilluftfahrtsparte. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass der von ihm nach nur wenigen Wochen Amtszeit verkündete Teilrückzug aus der Bahnsparte via Börsengang auf wenig Interesse stieß und auch eine Verbindung mit Siemens in diesem Bereich missglückte. TriebwerksexperteDas Problemkind C Series kannte Bellemare gut, war er doch bei United Technologies unter anderem für den Triebwerkshersteller Pratt & Whitney zuständig gewesen, der den Antrieb für den Bombardier-Flieger liefert. Mit einem Angebot an den Konkurrenten Airbus, bei der neuen Regionalflugzeug-Baureihe einzusteigen, blitzten die Kanadier zunächst ab, anschließend soll es auch Gespräche mit dem US-Wettbewerber Boeing gegeben haben. Zwei Jahre später wurden sich Bellemare und der damalige Airbus-Chef Tom Enders doch noch einig, der europäische Flugzeughersteller sicherte sich 50,01 % an der C Series Aircraft Ltd. Zwischenzeitlich musste die Regierung von Quebec 1 Mrd. Dollar zuschießen, um die Flugzeugreihe noch zu retten. Die kanadische Provinz hält nach wie vor 19 % an dem Programm.Der Erfolg gibt dem Manager und seinem harten Restrukturierungskurs bisher Recht. Bombardier ist 2018 nach verlustreichen Jahren in die Gewinnzone zurückgekehrt. Die Verschuldung wurde zurückgefahren, es wird wieder freier Cash-flow generiert. Unumstritten ist der Konzernchef deshalb aber nicht. Als im Frühjahr 2017 bekannt geworden war, dass Bellemare trotz des Sanierungsprogramms die Vergütungen der wichtigsten Manager des Konzerns um fast 50 % erhöhen wollte, führte das in Kanada zu einem Sturm der Entrüstung. Bombardier habe keine gute Arbeit geleistet und die Entscheidung nicht ausreichend erklärt, entschuldigte sich der CEO daraufhin eilig und verschob einen Teil der geplanten Erhöhungen auf 2020.